Seehaie
Konstanz, Jo.«
Jo räusperte sich. »Erst mal sind die Leute schockiert
von den beiden Morden. Die Toten waren allseits bekannte und wohl auch
geschätzte Kollegen. Außerdem wird einhellig die Meinung vertreten, dass für
die Tat nur Brancheninsider in Frage kommen – so einhellig, dass sich mir der
Gedanke aufdrängte, jemand habe diese Meinung gezielt verbreitet. Allerdings
wollte sich keiner auf einen konkreten Verdacht festnageln lassen.«
»Also keine Namen?«
»Doch. Die Verlierer bei den Ausschreibungen der
letzten sechs Monate waren vor allem Phönix und WBG .
Die anderen können Sie vergessen.«
Kurze Zeit herrschte Stille, während der Wolf seine
Zigarette ausdrückte. »Okay. Morgen früh beehren wir die WBG mit unserem Besuch.«
10
Es war Vollmond, doch man
sah ihn nicht. Der aufkommende Wind hatte schweres Gewölk vor die helle Scheibe
geschoben und kündigte Regen an.
»Verdammte Scheiße!«, fluchte er.
Zwar kam ihm die Finsternis sehr zupass, doch gleichzeitig drohten Regen und
Wind seinen Plan zunichtezumachen.
Er stand im zweiten Stock des
Corso-Rohbaus und rauchte nervös eine Zigarette nach der anderen. In
regelmäßigen Abständen trat er an die Fensterhöhle, sorgsam darauf bedacht, das
Glimmen seiner Zigarette zu verdecken. Doch nichts hatte sich verändert: Unter
ihm die Ansammlung von Baucontainern, die der Bauleitung und den beteiligten
Subunternehmern als Büros dienten, dahinter, nur schemenhaft erkennbar,
Fahrzeuge, Bagger, Baukräne, Berge von Baumaterial. Im aufgeweichten Boden
hatten die schweren Fahrzeuge tiefe Spuren hinterlassen.
In einem der Container brannte noch
Licht. Daneben standen drei Autos; also waren die da drin mindestens zu dritt.
Aufmerksam ließ er seinen Blick
über das nur spärlich beleuchtete Gelände schweifen. Nirgends eine Bewegung,
noch nicht einmal ein streunender Hund. Alles wäre gut, würden sich die drei
Typen endlich verpissen.
Was gab es da nur so lange zu
quatschen? Es war weit nach 23 Uhr, da hatten anständige Leute ihr Tagwerk
längst erledigt. Einen Moment lang war ihm, als sähe er im Container nebenan
einen schwachen Lichtschein aufblitzen – oder doch nicht? Wahrscheinlich hatte
sich das Licht in den Fenstern gespiegelt. Prüfend blickte er zum Himmel hoch.
Der Regen ließ noch auf sich warten. Gut so! Draußen auf dem See zogen die
Fährschiffe ihre Bahn, vom jenseitigen Ufer blinkten Meersburg und Hagnau
herüber, während sich das Hinterland unter dem nachtschwarzen Wolkenmeer
verlor.
Endlich wurde in dem Bürocontainer
das Licht gelöscht. Drei behelmte Männer traten ins Freie, verabschiedeten sich
voneinander und stiegen in ihre Autos.
»Wird aber auch Zeit, Freunde. Hab
keine Lust, mir wegen euch die ganze Nacht um die Ohren zu schlagen«, brummte
er halblaut vor sich hin.
Als die Rücklichter der Fahrzeuge
im Dunkel verschwunden waren, warf er noch einmal einen prüfenden Blick auf das
verlassen daliegende Gelände. Ja, jetzt war die Luft rein.
Behutsam ging er die Treppe hinab,
schlich zu einem der Bürocontainer hinüber, schloss ihn auf und verschwand im
Inneren. Als er wieder herauskam, trug er die erste von drei großen, prall
gefüllten Taschen. Nacheinander brachte er sie in Sicherheit, bevor er in den
Rohbau zurückkehrte, wo er sich erst mal eine neue Zigarette anzündete.
Er nahm einen tiefen Zug und atmete
langsam den Rauch aus. Dann griff er in eine am Boden stehende Papiertüte und
entnahm ihr eine Flasche. Mit der Glut seiner Zigarette entzündete er das aus
dem Flaschenhals hängende Stoffstück und warf den Brandsatz mit gekonntem
Schwung auf den Bürocontainer hinab, dessen Dach sofort lichterloh brannte.
Züngelnd fraßen sich die Flammen weiter, liefen die Seitenwände hinab und
griffen Sekunden später auf den benachbarten Container über. Schon stand das
trockene Grünzeug in Flammen, das sich in den letzten Monaten auf dem
Containerdach angesiedelt hatte. Fasziniert schaute er dem Schauspiel zu.
Plötzlich öffnete sich die Tür des
Nachbarcontainers. Eine nahezu unbekleidete Frau sprang heraus, gefolgt von
einem halbnackten Mann, der einige eilig zusammengeraffte Kleidungsstücke an
sich presste.
War denn das die Möglichkeit? Da
vergnügte sich so ein geiles Pärchen mitten in der Nacht auf einer Baustelle!
Hatten die Leute keine eigene Bleibe, wo sie ungestört vögeln konnten? Brummend
drückte er seine Zigarette aus, steckte den Stummel in den mitgebrachten
Plastikbeutel, riss sich die
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