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Seehaie

Seehaie

Titel: Seehaie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Empfang genommen wurden.
    »Wir sind mit Direktor Sprüngli verabredet«, sagte
Karin freundlich, aber bestimmt.
    »Bedaure, der Herr Direktor ist noch nicht da. Darf
ich Sie zu Ihrem Tisch geleiten?«
    Karin musste ob der verstaubten Redeweise ein Kichern
unterdrücken. Als sie saßen, konnte Charles de Boer nicht mehr länger an sich
halten. »Aus welchem Hut hast du diesen Direktor gezaubert?«
    »Hat Matuschek für mich eingefädelt … Sind die ersten
Bilder im Kasten?«
    De Boer nickte. Dann lüftete er ein wenig den Deckel
seines Aktenkoffers, um an der Kamera eine Einstellung vorzunehmen, während
sich Karin Winter unauffällig umsah.
    Der Grundriss des geschmackvoll eingerichteten
Restaurants bestach durch einen halbrund in den Park hinausragenden Vorbau,
dessen Fensterfront den Blick auf den Schanzengraben freigab. Mitten im Raum
schwebte ein riesenhafter Lüster, darunter zog ein Blumenarrangement die Blicke
auf sich, dessen Farben exakt auf den Teppichboden abgestimmt waren. Alles
strahlte unaufdringliche Eleganz aus.
    Der Ober erschien und fragte, ob sie schon etwas
bestellen wollten.
    »Danke, wir warten, bis Direktor Sprüngli kommt.«
    Hohmann saß nur drei Tische weiter. Ihm gegenüber, mit
dem Rücken zu ihnen, ein zweiter Mann – das musste Siebeck, der Baudezernent
sein. Auf dem Tisch stand Kaffee, dazwischen waren Blätter mit Zeichnungen und
Tabellen ausgebreitet.
    De Boer entschuldigte sich bei Karin Winter, klemmte
den Kamerakoffer unter den linken Arm und verließ den Raum. Kurze Zeit später
kehrte er zurück. Dabei wusste er es so einzurichten, dass er dicht an Hohmanns
Tisch vorbeikam. Dort blieb er kurz stehen.
    »Verzeihen Sie, dass ich Sie anspreche. Ich suche
Direktor Sprüngli.« De Boer blickte abwechselnd auf die beiden Männer.
    Hohmann hob für einen Moment den Kopf. »Bedaure«,
antwortete er kurz und wandte sich wieder seinem Gegenüber zu.
    Doch der Fotograf ließ sich nicht so schnell
abwimmeln. »Wissen Sie, wir waren um vierzehn Uhr hier mit ihm verabredet.«
    Hohmann reagierte auf die neuerliche Störung sichtlich
unwillig. »Ihr Pech. Mit einem Direktor können wir nicht dienen.«
    De Boer, der während der wenigen Worte seinen Koffer
unter den anderen Arm gewechselt hatte, entschuldigte sich abermals, danach
kehrte er umständlich an seinen Tisch zurück. Dort sagte er leise zu Karin:
»Bingo! Ich hab die Gesichter auf der Platte, einschließlich allem, was so auf
dem Tisch lag.« Erneut werkelte er in seinem Kamerakoffer herum, dann steckte
er etwas in die Jackentasche.
    »Frecher Hund. Aber gut gemacht!«, lobte seine
Kollegin.
    Plötzlich trat ein Mann an Hohmanns Tisch. Es dauerte
etwas, bis Karin ihn erkannte: Es war Hohmanns Chauffeur. Er beugte sich zu den
beiden Männern hinunter und flüsterte ihnen etwas zu. Die Reaktion war
frappierend. Hohmann sprang abrupt auf, sein Begleiter raffte die auf dem Tisch
verstreuten Papiere zusammen, und schon strebten beide dem Ausgang zu.
    Ehe sich Karin von ihrer Überraschung erholen konnte,
kam der Chauffeur auf sie zu. Mit ausdrucksloser Miene baute er sich vor ihrem
Tisch auf: »Ich möchte den Herrschaften nahelegen, schleunigst zu verschwinden.
Spionieren Sie gefälligst woanders herum …«
    Doch Karin war nicht so leicht ins Bockshorn zu jagen.
»Gäbe es denn hier etwas zu auszuspionieren?«
    »Machen Sie kein Aufsehen. Verschwinden Sie einfach!
Oder soll ich Sie vom Sicherheitsdienst des Hotels hinauswerfen lassen?«
    »Nicht nötig.« Der Fotograf gab Karin Winter ein
Zeichen, stand auf und machte Anstalten, das Restaurant zu verlassen. Wie
zufällig bewegte er sich dabei auf den Chauffeur zu. Alles Weitere ging sehr
schnell. Mit einem kaum wahrnehmbaren Fingerstoß traf der Holländer den
Solarplexus des Hohmann-Getreuen und setzte ihn damit für kurze Zeit außer
Gefecht. De Boer fing den nach Atem ringenden Mann auf und ließ ihn unauffällig
auf einen Stuhl gleiten. Liebevoll tätschelte er ihm die Wange und sagte: »Das
wird wieder, glaub mir. Du musst deshalb nicht weinen.« Damit spielte er auf
die Tränen an, die der Schmerz dem Mann in die Augen trieb.
    Dieses für ein Schweizer Nobelrestaurant eher
ungewöhnliche Geschehen rief den Ober auf den Plan. Er hatte jedoch keine
Gelegenheit, Fragen zu stellen. »Falls Direktor Sprüngli eintrifft, richten Sie
ihm bitte aus, wir hätten dringend weggemusst«, rief Karin ihm im Vorbeigehen
zu – und schon flitzten sie hinaus. Aus den Augenwinkeln nahm Karin

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