Seehaie
jedoch als nicht sonderlich
ergiebig, der Chef hatte hinter verschlossener Tür mit dem Anwalt geredet.
Als Wolf zurückkam, wurde er bereits von Karin Winter
erwartet. Er erinnerte sich nicht, einen Termin mit ihr zu haben.
»Ich warne Sie, Herr Hauptkommissar«, empfing sie ihn
lächelnd, »sagen Sie nicht, Sie hätten keine Zeit. Für das, was ich Ihnen
gleich erzähle, würden Sie sogar Ihre Beerdigung verschieben.«
»Welches Gegengeschäft schwebt Ihnen diesmal vor?«
Obwohl ihm nicht danach zumute war, musste nun auch er lachen. Er führte Karin
Winter in sein Zimmer und bot ihr eine Tasse Kaffee an, die sie dankend annahm.
Dann holte sie verschiedene Papiere und einen Notizblock aus ihrer Tasche und
sammelte sich kurz, ehe sie loslegte.
»Ich nehme an, Sie gehören zu den geneigten Lesern des
›Seekurier‹?«
»Um ehrlich zu sein: nein! So gut kann Ihr Blatt gar
nicht sein, dass ich mir die schlechten Nachrichten antue. Ich finde, das Leben
ist auch so schon beschissen genug.«
»Hab ich mir fast gedacht. Könnten Sie sich trotzdem
überwinden und wenigstens diese kurze Anzeige hier lesen? Stammt aus der
heutigen Ausgabe.«
Sie legte eine Zeitungsseite vor ihn hin. Mit
unverhohlener Skepsis begann Wolf zu lesen. Erst bei der letzten Zeile merkte
er auf. Er sah die Winter fragend an. »Okay, Siebeck verkauft ein Haus. Na
und?«
»Genau das hab ich zuerst auch gesagt. Aber das ist
erst der Anfang …«
»Junge Frau«, unterbrach sie der Hauptkommissar, »ich
will Sie ja nicht entmutigen, aber vergessen Sie Siebeck. Vergessen Sie
überhaupt die ganze Hohbau mitsamt deren Boss. Die Sache hat sich erledigt.«
Einen kurzen Moment lang wirkte die Journalistin wie vor
den Kopf geschlagen. Dann fasste sie sich wieder. »Wer hat Ihnen denn den Schneid abgekauft? Nun enttäuschen Sie mich aber, Herr Wolf.«
In wenigen Sätzen schilderte er ihr den Fehlschlag bei
der Hausdurchsuchung. »Hohmann hat sein Züricher Treffen mit Siebeck keineswegs
geleugnet, sondern im Gegenteil offensiv als Arbeitsbesprechung dargestellt.
Selbstredend hat der Baudezernent das bei einer zeitgleichen Vernehmung
bestätigt. Damit war die Luft raus, zumal unsere Spezialisten in den
überprüften Unterlagen keine, aber auch nicht die kleinste Spur entdecken
konnten, die einen Verdacht auf Korruption oder Vorteilsgewährung genährt
hätte.«
»Aber das heißt doch noch lange nicht, dass Hohmann
keine Leiche im Keller hat – Sie haben sie nur noch nicht gefunden! Das ist ein
Riesenunterschied. Hören Sie sich wenigstens an, was es mit Siebecks
Immobiliengeschäften auf sich hat. Ich verspreche Ihnen, das wird Ihr etwas
kippliges Weltbild wieder geraderücken.«
Als Antwort entrang sich Wolfs Brust lediglich ein
Seufzer. Resigniert steckte er sich eine Zigarette an. Das hellte seine trübe
Stimmung wenigstens vorübergehend etwas auf.
»Fangen wir mit der aktuellen Immobilie an«, fuhr
Karin Winter fort, »ein älteres, reichlich baufälliges Haus bei Markdorf, das
Siebeck vor ziemlich genau neun Monaten erworben hat.«
»Wie und von wem?«, fragte der Hauptkommissar.
»Sehen Sie, so gefallen Sie mir schon besser«, lobte
ihn die Journalistin. »Das Haus war ganz normal über eine Anzeige angeboten
worden, Siebeck hatte sich interessiert gezeigt und den Zuschlag erhalten. Der
Vorbesitzer war übrigens August Maywaldt.«
»Der Müllfritze?«
»Derselbige.«
»Ist das nun ein Zufall, oder muss man sich dabei was
denken?«
»Glaube ich nicht. Maywaldt hat keine Verbindung zum
Baugewerbe. Mit dem Landratsamt hat er zu tun, aber nicht mit dem Baudezernat.
Doch es geht weiter. Siebeck hat für den Markdorfer Schuppen gerade mal einhundertzehntausend
Euro hingeblättert.«
Wolf schnalzte mit der Zunge. »Einhundertzehntausend?
Moment …« Er überschlug kurz die Differenz zu dem in der Anzeige genannten
Betrag. »Das wäre ja ein Gewinn von einhundertneunzigtausend. Ist das möglich?«
»Unter bestimmten Umständen ja, doch dazu später.
Durch einen läppischen Zufall erfährt nun mein Chefredakteur, dass dies bereits
das dritte Haus ist, das Siebeck verkauft. Das dritte! Und das sind nur die,
von denen wir wissen. Er findet seine Käufer immer auf dieselbe Weise: über
eine Anzeige im ›Seekurier‹. Ich fragte mich, wie dieser Mensch zu drei Häusern
kommt. Bringt der feine Herr etwa reihenweise Onkel und Tanten um die Ecke und
verscherbelt anschließend ihr Erbe?«
»War die Gewinnspanne bei den anderen Objekten
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