Seehaie
hautfarbene Latexhandschuhe über und packte aus. Er legte die
einzelnen Teile auf ein ausgebreitetes Tuch. Dann setzte er das Jagdgewehr mit
routinierten Griffen zusammen. Besondere Sorgfalt verwendete er auf das
Fernglas und die Zielvorrichtung. Zuletzt schraubte er einen Schalldämpfer auf
den Lauf und lud die Waffe durch.
Er legte das Gewehr an und blickte
durch den Sucher zu den Gärten hinunter. Die Entfernung zu seinem Ziel betrug
etwa sechzig Meter. Er konnte es gar nicht verfehlen, dafür waren er und sein
Gewehr einfach zu gut.
Nur wenig später nahm er im
Zielgebiet eine Bewegung wahr. Er hob das Gewehr und blickte durch das
Zielfernrohr. Tatsächlich, auf dem Weg vor dem Garten hatte ein Wagen
angehalten. Der Fahrer stieg aus, blieb kurz am Tor stehen und betrat dann den
Garten.
Er traute seinen Augen nicht: Es
war der Bulle aus Überlingen! Verdammt und noch mal verdammt – wieso war der
schon hier? Er hatte ihn frühestens in einer halben Stunde erwartet, in dieser
Zeit hätte er bequem seinen Job erledigen können. Nun sah plötzlich alles
anders aus. Er hasste es, unter Zeitdruck arbeiten zu müssen; da schlichen sich
Fehler ein, die, wenn man Pech hatte, das Projekt ganz schnell zum Absturz
brachten.
Er starrte hinunter in den Garten.
»Wo treibst du dich rum, Freundchen? Los, zeig dich … mach mir die Freude … ich
brauch dich! Na komm schon …«
Und als hätte Gott sein Flehen
erhört, trat die Zielperson für einen Moment zwischen zwei Bäumen hervor und
bot ihm ein ideales Schussfeld. Er nutzte es, ohne zu zögern.
18
Wolf hatte den strauchelnden Kupka
aufgefangen, konnte ihn aber nicht halten. Der Mann war schwerer, als er
aussah, er glitt ihm förmlich aus den Händen. Ein Stöhnen entrang sich Kupkas
Brust, er blieb in Seitenlage auf dem Boden liegen.
Noch immer ahnte Wolf nichts Böses, wie sollte er
auch. Für einen Sturz, selbst einen temporären Zusammenbruch, konnte es die
unterschiedlichsten Gründe geben, da musste man nicht gleich mit dem
Schlimmsten rechnen – abgesehen davon, dass alles sehr schnell gegangen war und
für Überlegungen irgendwelcher Art so gut wie keine Zeit blieb. Trotzdem: Hier
schien etwas gehörig danebenzugehen. Er richtete sich auf und ließ seine Augen
umherschweifen. Nichts! Keine ungewöhnliche Bewegung, kein verdächtiges Geräusch,
alles war wie zuvor.
Oder doch nicht? Jetzt erst fiel ihm auf, dass sich
seine Hände feucht anfühlten. Kein Wunder – sie waren voller Blut! Als er Kupka
auf den Bauch drehte, sah er die Ursache: Eine Kugel in den Rücken hatte den
Polier niedergestreckt, das Hemd war über und über mit Blut getränkt. Ein Griff
an Kupkas Halsschlagader bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen: Hier kam
jede Hilfe zu spät. Der Mann war mausetot, er war praktisch in seinen Armen
gestorben.
Augenblicke später hatte Wolf seine Kollegin an der
Strippe. »Jo, hör genau zu. Einer von Hohmanns Polieren ist soeben in seinem
Garten bei Singen erschossen worden.« Er beschrieb die genaue Lage. »Ich
brauche einen Notarzt, dann die Spurensicherung, das ganze Programm, du weißt
schon. Ihr kommt auch her. Und verständigt Marsberg. So viel vorab, alles
Weitere später. Und jetzt Beeilung bitte!«
Wolf
hatte um sich geblickt und festgestellt, dass der Schuss nur aus dem Wäldchen
oberhalb der Gartenanlage gekommen sein konnte. Dort wollte er hin. Da kein
Fußweg durch die Gärten führte, musste er wohl oder übel um die Anlage herum.
Er nahm den Wagen. Oben angekommen, zeigte sich, dass das Wäldchen nicht einmal
hundert Meter breit war. Dahinter verlief ein schmaler Landwirtschaftsweg, an
den sich Felder und Streuobstwiesen anschlossen.
Die Böden waren knochentrocken. Nichts deutete darauf
hin, dass der Täter hier geparkt hatte. Im Gegenteil: Wie Wolf ihn einschätzte,
war er zu Fuß gekommen. Nur so konnte er vermeiden, dass ein zufällig
Vorbeikommender den Wagen sah und sich die Nummer merkte.
Wolf fand die Stelle, an der der Täter in das dichte
Unterholz eingedrungen war. Er folgte der Schneise und erreichte nach etwa
dreißig Metern den Waldrand. Gut gewählt, dachte er – dieser Platz bot einen
hervorragenden Überblick über den nach Süden abfallenden Hang und die
Gartenanlage, auch und gerade über Kupkas Gelände.
Eine konkrete Spur konnte Wolf aber nicht entdecken.
Er fand die Stelle am Waldrand, wo der Täter gelagert hatte. Die Pflanzen waren
flach gedrückt, aber sonst war kein Hinweis zurückgeblieben.
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