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Seehaie

Seehaie

Titel: Seehaie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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sein Führerhaus.
    Während Wolf zurück zu seinem Wagen ging, rief er
Kalfass an und bat ihn, die genaue Anschrift des Poliers festzustellen und ihm
durchzugeben. Bei der Gelegenheit unterrichtete er ihn kurz über seine
Eindrücke auf der Baustelle, wobei er besonders das im Bürocontainer
herumliegende, von Starek unterzeichnete Schriftstück hervorhob.
    Gleichzeitig
mit Wolf griff auch Mahmoud zu seinem Handy.
    »Was gibt’s?«, meldete sich eine barsche Männerstimme.
    »Der Oberbulle hat auf der Baustelle rumgeschnüffelt.«
    »Und?«
    »Wollte mich wegen Stani und Yosip aushorchen.«
    Kurzes Schweigen. »Weiter. Lass dir nicht jedes Wort
aus der Nase ziehen.«
    »Wollte wissen, ob wir auch für andere Firmen fahren.«
    Erneutes Schweigen. »Hat er deine Antwort geschluckt?«
    »Glaube schon. Hat nach dir gefragt. Und nach Kupka.«
    »Kupka?«
    Kalfass
rief zurück und teilte Wolf die Anschrift von Josef Kupka mit. Der Polier
wohnte in Bruderhof, einem nördlichen Vorort von Singen. Wolf schrieb sich die
genaue Adresse auf und fuhr los.
    Erneut führte ihn sein Weg über die Brücke, die den
rechter Hand liegenden See vom Seerhein trennte, diesmal mit dem Münster und
der Altstadt im Rücken. Gleich hinter der Brücke bog er links ab und passierte
nach zehn Minuten das eindrucksvoll an den Hang gebaute Schloss Hegne, in dem
einst der österreichische Kardinalbischof Andreas in einem eigens dafür
angelegten Zwinger auf Löwenjagd ging. Draußen im See lag, in der Sommerhitze
flimmernd, die Gemüseinsel Reichenau, mit dem Festland durch eine schmale
Pappelallee wie mit einer Nabelschnur verbunden. Eine nach der andern kamen die
drei Inselkirchen in sein Blickfeld, frühe Zeugen kultureller Blüte am
Bodensee.
    Auf der Fahrt versuchte Wolf, die widersprüchlichen
Eindrücke zu ordnen. Da gab es den zwielichtigen Mahmoud, der eine Freundschaft
mit Ploc vehement in Abrede stellte, obwohl der Bauleiter sie ihm glaubhaft
bestätigt hatte. Außerdem trieb sich dieser ominöse Bruno Starek auf dem
Gelände herum, den jedoch niemand kennen wollte, weder auf der Baustelle noch
in Hohmanns Personalbüro. Schließlich verschwand ausgerechnet der Architekt
dieses Projektes von der Bildfläche, ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen – und just nach einer Auseinandersetzung mit ebendiesem Herrn blieb der Polier
Josef Kupka seiner Arbeit fern. Alles in allem waren das, nach Wolfs Geschmack,
ein paar Ungereimtheiten zu viel. Trotzdem – oder gerade deshalb? – war er ganz
guter Dinge. Sah aus, als nähme der Fall endlich Kontur an.
    Kurz
vor Markelfingen verließ Wolf die B33 und folgte dem Wegweiser nach Radolfzell
und weiter nach Singen. Er hoffte, dort die von Kalfass erhaltene Adresse auf
Anhieb zu finden; ein Navigationsgerät suchte man in den Dienstwagen der Kripo
Überlingen schließlich ebenso vergebens wie eine Klimaanlage.
    Nach zwanzigminütiger Fahrt tauchte am Horizont der
beeindruckende Vulkankegel des Hohentwiel auf, im Norden flankiert von seinen
Brüdern Hohenkrähen und Hohenstoffeln. Wahrscheinlich, überlegte Wolf, wussten
selbst von den Einheimischen nur wenige, dass der Hegau mit vierzig
Befestigungen zu den burgenreichsten Landschaften Süddeutschlands zählte.
    Rasch schob er diesen Gedanken wieder beiseite. Ihm
ging das bevorstehende Gespräch mit dem Polier durch den Kopf. Irgendwie musste
er den Grund der Auseinandersetzung mit dem Architekten erfahren. Die ganze
Zeit über hatte er das dunkle Gefühl, dieser Vorfall könne mit dem Mord an den
beiden Fahrern zusammenhängen. Und wer weiß, vielleicht ergaben sich sogar
Anhaltspunkte für das Verschwinden des Architekten?
    Ab Singen hatte Kalfass ihm den Weg beschrieben: in
der Stadtmitte rechts ab in Richtung Autobahn-Nordauffahrt, am Ortsausgang
abermals rechts halten und den Schildern zur Siedlung Bruderhof folgen.
    Nach kurzem Suchen fand er die angegebene Adresse und
fuhr zunächst langsam an dem Haus vorbei. Dann stellte er seinen Wagen ab und
ging zu Fuß zurück. Ja, hier war er richtig: Auf dem Schild am Gartentor stand:
»Kupka«.
    Einen solchen Anblick hatte er nicht erwartet. Haus
und Grundstück schienen für einen Vorarbeiter auf dem Bau entschieden eine
Nummer zu groß. Ein wunderschön angelegter, teils mit botanischen Raritäten
bepflanzter Garten, von Wolf auf gut und gerne zehn Ar geschätzt und mehr einem
kleinen Park denn einem Hausgarten ähnelnd, umgab das schmucke
Walmdach-Einfamilienhaus. Offenbar hatte Geld bei

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