Seehaie
einige Zeit leben.
***
Kalfass stellte auf dem großen Parkplatz
gegenüber dem Meersburger Fährhafen seinen Dienstwagen ab und besorgte sich
einen Parkschein. Wieder einmal wurde ihm bewusst, wie schnell die Zeit
verging. Nun war es bereits eine Woche her, dass er sich mit dem Konstanzer
Kollegen Meerkatz auf der Fähre getroffen hatte. Den Tod des Kroaten Yosip
Juratovic hatten sie inzwischen aufklären können – na ja, um genau zu sein: sie
hatten die Todesursache ermittelt; auf der Suche nach dem Täter jedoch tappten
sie nach wie vor im Dunkeln.
Es war kurz nach 13 Uhr, und die Sonne brannte nahezu
senkrecht vom Himmel. Zum Glück wölbten sich über dem Platz große
schattenspendende Pappeln. Als er in Überlingen ins Auto gestiegen war, hatte
laut und vernehmlich sein Magen geknurrt, also hatte er sich in Unteruhldingen
einen Döner gekauft. Nun stand er neben seinem Fahrzeug und versuchte, das
gewaltige, mit Fleisch, Zwiebeln und weißer Soße prall gefüllte Fladenbrot zu
vertilgen, ohne sich Hemd und Hose zu ruinieren.
In einer halben Stunde war er hier mit Kronberger
verabredet. Sie wollten gemeinsam zur Konstanzer Baustelle fahren, und Kalfass
hoffte, seinem Mitfahrer unterwegs die eine oder andere Information aus der
Nase ziehen zu können. Aus gutem Grund hatte er sich für einen Dienstwagen
entschieden. Das, so mutmaßte er, würde bei den Bauleuten Respekt hervorrufen,
insbesondere wenn ein aufgesetztes Blaulicht seine Mission auf der Baustelle
hochoffiziell, seinen Auftritt quasi unübersehbar machte.
Kronberger war pünktlich. Sie fädelten sich in die
Wartespur für die Fähren ein und schafften es als einer der letzten Wagen auf
die »Meersburg«. Die Überfahrt verbrachten sie auf dem Oberdeck, wo sie sich
ein schattiges Plätzchen suchten und über so tiefschürfende Themen wie das
Wetter und die Baukonjunktur plauderten. Nach dem Ausschiffen schien es Kalfass
an der Zeit, den konkreten Anlass ihrer Fahrt anzusprechen.
»Hatte eigentlich nur Ihr Boss Ärger mit der Hohbau G mb H wegen der baulichen
Abweichungen, oder waren Sie ebenfalls betroffen?«
»Die Prüfung des Baufortschritts ist normalerweise
Sache der Bauleitung vor Ort. Bei schwierigen Detailentscheidungen allerdings
werden wir hinzugerufen. Das gilt vor allem dann, wenn Optik oder Statik des
Bauprojektes betroffen sind. Mal traf es Stiller, mal mich, je nachdem, wer
gerade frei war. Selbstverständlich gehen wir bei solchen Gelegenheiten mit
offenen Augen durch die Baustelle, und da gab es eben in der Vergangenheit
immer wieder Auffälligkeiten.«
»Auffälligkeiten? Welcher Art?«, hakte Kalfass nach.
»Betraf das Maße, Materialien, Ausstattung, oder wie muss ich mir das
vorstellen?«
»Das ist einem Laien, entschuldigen Sie, nicht so
leicht zu erklären. Warten Sie einfach ab, ich zeige Ihnen vor Ort zwei, drei
besonders gravierende Beispiele.«
Inzwischen sahen sie das Münster vor sich, gleich
darauf überquerten sie den Seerhein. In wenigen Minuten würden sie den Wald aus
Baukränen vor sich haben.
»Die festgestellten Abweichungen wurden bei der
Bauleitung reklamiert, nehme ich an. Was passierte dann?«, setzte Kalfass das
Gespräch fort.
»Es gab unterschiedliche Reaktionen. Mal wurde
abgewiegelt und Prüfung zugesagt, mal mit veränderten technischen
Voraussetzungen argumentiert, in manchen Fällen wurden Fehler auch offen
zugegeben. Nur eines haben wir meines Wissens nie erreicht: dass die Fehler
beseitigt wurden. Sicher, meist handelte es sich um Kleinigkeiten, da konnte
man ein Auge zudrücken. Manchmal allerdings war auch ein dicker Hund dabei, das
führte dann zu lautstarken Auseinandersetzungen mit dem zuständigen Polier.
Diese Fälle nahm dann immer Stiller in die Hand.«
»Können Sie mir den Namen eines Poliers nennen?«
»Warten Sie … der Kupka fiel öfter auf. Ja,
seltsamerweise war meistens Kupka beteiligt. Der soll ja jetzt erschossen
worden sein. Hängt das etwa mit dieser Sache zusammen?«
Inzwischen waren sie an der Einfahrt zur Großbaustelle
angelangt, das enthob Kalfass einer Antwort. Er parkte in der Nähe der
Bürocontainer. Beim Aussteigen fiel ihm noch eine Frage ein.
»Kennen Sie eigentlich Bruno Starek?«
»Starek? Natürlich. Allerdings hatten wir nie direkt
mit ihm zu tun. Ich weiß bis heute nicht, für was der Mann zuständig ist.
Eigentlich weiß das keiner so recht.«
Ich schon, dachte Kalfass: fürs Vertrimmen ungebetener
Gäste. Er rieb sich sein immer noch
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