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Seehaie

Seehaie

Titel: Seehaie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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konnte.
    »Noch fünfzig Meter, dann sind wir am Ziel«, sagte
Kronberger gerade. »Da vorne, wo der rote Turmkran steht. Aber passen Sie auf,
dass sich die Riesenkarre links vor uns nicht plötzlich in Bewegung setzt. Wäre
ziemlich ungesund für uns.« Dabei schielte er auf die gut und gerne vier Meter
tiefe Baugrube zu ihrer Rechten, deren Absperrung durch einige Holzbalken
allenfalls symbolischen Charakter hatte.
    Kalfass winkte ab. Die Durchfahrt zwischen Kipper und
Grube war breit genug. Trotzdem wagte er einen schnellen Blick in die Tiefe.
Kronberger hatte recht – ein Sturz in dieses Loch, und die Polizei wäre locker
um einen Dienstwagen ärmer, von der Besatzung mal ganz zu schweigen.
    Nur noch wenige Meter trennten sie von der Engstelle,
als über dem Führerhaus des Kippers eine fette schwarze Qualmwolke in den
Himmel stieg. Fast gleichzeitig setzte sich das Ungetüm in Bewegung.
    »Vorsicht«, warnte Kronberger.
    »Hab’s gesehen. Ich bin sicher, der lässt uns noch
vorbei.«
    Diesen Gefallen tat er ihnen nicht. Im Gegenteil: Der
Fahrer zog sein Fahrzeug scharf nach rechts und damit direkt auf ihre Spur. Ob
aus Unachtsamkeit oder mit voller Absicht, vermochte Kalfass in diesem
Augenblick nicht zu sagen. Vielleicht hatte der Fahrer nur gepennt? Kalfass
versuchte, ihn wachzuhupen. Keine Reaktion. Was war nur mit diesem Idioten los?
Schon hatte er Kalfass’ Fahrzeug gefährlich nahe an den Abgrund gedrängt, und
noch immer verminderte er weder seine Geschwindigkeit, noch änderte er die
Richtung. Nur noch wenige Meter, und sie würden in die Tiefe stürzen, falls es
ihm nicht gelang, ihren Wagen zum Stehen zu bringen.
    Kalfass trat mit aller Kraft auf das Bremspedal,
gleichzeitig riss er reflexartig die Handbremse hoch. Nur aus den Augenwinkeln
nahm er wahr, wie Kronberger sich mit den Füßen abstützte und mit beiden Händen
den über der Tür befindlichen Haltegriff umklammerte. Noch ehe der Wagen zum
Stillstand kam, legte Kalfass den Rückwärtsgang ein, ignorierte das hässliche
Kreischen des Getriebes und gab erneut Gas. Daraufhin machten sie einen großen
Satz nach hinten. Einen bangen Moment lang schien es, als wäre alles umsonst
gewesen: Da Kalfass das Lenkrad bei der Gewaltbremsung leicht verrissen hatte,
brach der Wagen seitlich aus, plötzlich schwebte das rechte Vorderrad in der
Luft, hing praktisch frei über dem Abgrund. Augenblicke später hatten sie
wieder sicheren Boden unter allen Rädern.
    Geschafft! Pfeifend stieß Kronberger die Luft aus,
während Kalfass sich am liebsten selbst auf die Schulter geklopft hätte, hatte
er doch eben ein kleines Kabinettstückchen vollbracht. Er wünschte, Wolf und Jo
hätten es mitgekriegt. Bei dieser Vorstellung schlich sich sogar ein schiefes
Grinsen auf sein Gesicht.
    Doch schnell fand er wieder in die Realität zurück. Wo
war der Kipper? Er traute seinen Augen nicht – der Kerl fuhr einfach weiter,
als wäre nichts geschehen. Dem würde er zeigen, wo der Hammer hing! Blitzartig
legte er den ersten Gang ein und gab Gas. Mit quietschenden Reifen schoss das
Polizeifahrzeug nach vorne. Wenige Augenblicke später zog es an dem
Muldenkipper vorbei, setzte sich direkt vor ihn und bremste abrupt ab. Sollte
ihm das Monstrum doch in den Hintern fahren, jetzt war ihm alles scheißegal.
Doch das würde sich der Kerl nicht trauen, inzwischen gab es nämlich Zeugen:
Mehrere Bauarbeiter waren auf den Vorfall aufmerksam geworden und sahen zu
ihnen herüber. Zwei, drei Fahrzeuge konnten nur mit Mühe einen Crash mit den
beiden Kontrahenten vermeiden.
    Kalfass riss seine Tür auf und stürzte nach draußen.
Er rannte die wenigen Schritte zurück, dann kletterte er wie ein Affe zum
Führerhaus des Kippers hoch, dessen Scheibe gerade heruntergekurbelt wurde.
    »Sie sind wohl lebensmüde«, brüllte ihm der
Kipperfahrer entgegen. Dabei streckte er den Kopf aus dem Fenster und fuchtelte
mit seinem muskelbepackten linken Arm wild durch die Gegend. Jetzt erst
erkannte Kalfass das Gesicht. Das war doch … es kostete ihn Mühe, nicht auf der
Stelle loszulassen und hintenüberzufallen. Nein, diese Visage würde er so
schnell nicht vergessen!
    Es war der riesige Mahmoud, der ihn verprügelt hatte.
    So unbeholfen Kalfass sich oftmals auch gab, in dieser
Situation war er hellwach. Schlagartig kapierte er, was hier eigentlich ablief.
Bei dem Versuch, sie abzudrängen, hatte es sich keineswegs um eine
Unachtsamkeit des Kipperfahrers gehandelt. Vielmehr wären sie um ein Haar

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