Seehaie
Toxizität des Inhaltes liefert. Wir wissen
lediglich, dass das Zeug flüssig ist, ansonsten tappen wir im Moment völlig im
Dunkeln.«
»Eines allerdings dürfte Sie sehr interessieren, Chef.
Schauen Sie mal hier …« Kalfass deutete auf einen unscheinbaren Vermerk, den
jemand mit gelber Ölkreide auf den Deckel des Fasses geschrieben hatte.
Offensichtlich hatte man sich bemüht, ihn abzuwischen, was jedoch nur
unvollkommen gelungen war.
Wolf rückte näher heran, um die Aufschrift entziffern
zu können. Dabei stieß er mit seinem Nebenmann zusammen. Es war der Fotograf,
der sich unbemerkt zu ihnen gesellt hatte. Er entschuldigte sich –
unerwarteterweise jedoch mit einer Frauenstimme, die Wolf zu allem Überfluss
auch noch bekannt vorkam.
Das war doch …? Ja, genau! Neben ihm stand Karin
Winter vom »Seekurier«. Er hatte sich von ihrem ungewohnten Outfit täuschen
lassen und sie die ganze Zeit für einen Mann gehalten.
Als Wolf eben zu einer Begrüßung ansetzen wollte,
legte die Journalistin verstohlen den Zeigefinger auf die Lippen.
»Frau Winter vom Umweltbundesamt«, stellte Kalfass sie
nichts ahnend vor. Wolf schluckte seine Verblüffung hinunter. Auch Jo verstand
offensichtlich nur Bahnhof, blieb aber zum Glück ebenfalls ruhig.
Sie konzentrierten sich erneut auf das Fass. Die
Aufschrift auf dem Deckel bestand lediglich aus fünf Buchstaben. Die jedoch
waren alarmierend. Hinter ihnen, das wusste Wolf, verbarg sich niemand geringerer
als der größte Müllentsorger der Region: die Maywaldt Entsorgungs- und
Recycling AG in Ravensburg, kurz MERAG .
»Also doch!«, entfuhr es Wolf ungewollt.
»Nicht wahr?«, pflichtete Kalfass wissend bei, wobei
er Jo mit einem triumphierenden Seitenblick streifte.
»Wann bekommen wir über den Inhalt des Fasses
Bescheid?«, fragte Wolf den Chemiker.
»Frühestens am Nachmittag geht er Ihrer Technik zu.
Bis dahin haben wir zumindest eine vorläufige Analyse. Die Zugänge zur
Tiefgarage werden einstweilen abgesperrt und bewacht.«
»Und was, wenn es sich tatsächlich um Giftmüll
handelt?«
»Dann werden unsere ›Minensucher‹ die Position
eventueller weiterer Behälter feststellen. Im schlimmsten Fall muss das gesamte
Fundament raus.«
»Na, dann gnade Gott …«, seufzte Wolf und wandte sich
Karin Winter zu. »Kann ich Sie kurz sprechen? Vielleicht dahinten?« Sie
entfernten sich ein paar Meter.
»Was soll dieses Kasperltheater?«, fragte Wolf
irritiert, als sie vor fremden Ohren sicher waren.
»Regen Sie sich nicht auf, Herr Wolf. Ich habe so
meine Erfahrungen, was das Misstrauen neugierigen Journalisten gegenüber
angeht, und schließlich haben alle den Schwindel geschluckt. Außerdem sind Sie dadurch aus dem Schneider. Wie würde das denn aussehen,
eine Reporterin inmitten des Ermittlungsteams, noch dazu auf Einladung des
leitenden Beamten, ich bitte Sie! Auf jeden Fall danke ich Ihnen für den
Knüller. Der sprengt alle Dimensionen, ehrlich.«
»Sie wissen doch: Eine Hand wäscht die andere«,
brummte Wolf. »Was haben Sie für mich?«
Sie drückte ihm nach einem abschätzenden Blick auf
ihre Umgebung einen Umschlag in die Hand. »Lesen Sie das durch. Sie werden Augen
machen.«
Er ließ den Umschlag in seiner Gesäßtasche
verschwinden. »Um was handelt es sich?«
»Ausdrucke von Stareks und Hohmanns Mailverkehr der
letzten zwei Wochen.«
»Sie wissen ja inzwischen, dass ich das als Beweis
nicht verwenden kann!«
»Weiß ich. Aber ich bin sicher, Sie werden es trotzdem
zu verwerten wissen.« Sie grinste spitzbübisch.
»Ich brauche Sie wohl nicht zu fragen, woher das
Material stammt?«
»Besser nicht …«
Wolf seufzte ergeben.
Die
Rückfahrt verbrachte er zum größten Teil mit dem Handy am Ohr. Auf diese Weise
schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen bat er Marsberg und Preuss
für eine Sitzung um vierzehn Uhr in sein Büro, bei der sie alle relevanten
Fakten auswerten und ihre weitere Vorgehensweise abstimmen wollten. Er hoffte,
dass bis dahin der vorläufige Untersuchungsbericht über den Inhalt des Fasses
vorliegen würde. Zum anderen lenkten ihn die Telefonate von Jos
halsbrecherischem Fahrstil ab, für den er gleichwohl selbst verantwortlich war,
hatte er sie doch um frühestmögliche Rückkehr nach Überlingen gebeten.
In diesem Stadium der Ermittlungen hätte er es
begrüßt, wenn auch Patzlaff an der Sitzung teilgenommen hätte. Ausgerechnet
heute jedoch war der Kriminalrat nicht im Haus. Sei’s drum, wenigstens
Weitere Kostenlose Bücher