Seehaie
ausgeschaltet. Allerdings brauchen wir dafür Beweise, zum Beispiel
die Tatwaffe, mit der Kupka erschossen wurde.«
»Weder in seiner Wohnung noch in seinem Wagen wurde
eine Schusswaffe gefunden«, gab Marsberg zu bedenken.
»Vielleicht …«, setzte Jo an, brach dann aber ab und
kaute unentschlossen auf ihrer Unterlippe.
»Vielleicht?«, ermutigte sie Wolf.
»Nun, vielleicht hat er sie bei der Prechtl
versteckt?«
Wolf schlug sich an die Stirn. »Klar, das ist es! Hätt
ich auch selbst drauf kommen können. Gut gedacht, Jo. Besorg uns gleich einen
Durchsuchungsbeschluss für die Prechtl-Wohnung, hopp, hopp. Sobald er vorliegt,
fahren Jo, Ludger und ich zur Marktstätte nach Konstanz. Einverstanden, Rolf?
Und morgen früh schlachten wir zwei gemeinsam Starek – natürlich nur bildlich
gesprochen.«
***
In
mehr als der Hälfte der Bundesländer waren bereits Sommerferien, und es schien,
als würden die Leute in diesem Jahr nur ein Ziel kennen: den Bodensee. Diesen
Eindruck hatte zumindest Wolf, als sie die Konstanzer Straßen in Seenähe
erfolglos nach einem Parkplatz absuchten. Schließlich landeten sie vor dem
Bahnhof, wo ihnen völlig überraschend ein wegfahrender Bierlaster gleich zwei
freie Plätze zur Auswahl anbot. Von hier aus waren es nur wenige Minuten zu
Jeannes Boutique an der Marktstätte.
Sie schlugen den Weg in Richtung Konzilgebäude ein.
Der Himmel war wieder mal unschlüssig, ob er der Sonne oder einem Mix aus Regen
und Wind den Vorzug geben sollte. Die Urlauber freilich schien das wenig zu
kümmern, sie flanierten in Scharen durch die Uferanlagen und auf den Stegen,
die zu den Schiffen der Weißen Flotte führten.
Wolf nutzte den Aufenthalt im Freien, um sich ohne
Murren von Jo und Kalfass eine Gitanes anzuzünden. »Ein scharfes Weib, diese
Imperia«, bemerkte er hustend und deutete in Richtung Hafen, wo sich das
Wahrzeichen von Konstanz alle anderthalb Minuten einmal um die eigene Achse
drehte.
»Vor allem ein Riesen weib,
würde ich sagen. Immerhin fast zehn Meter hoch und stattliche achtzehn Tonnen
schwer.« Das musste man Kalfass lassen: Für Zahlen hatte er ein unglaubliches
Gedächtnis.
»Irgendwie erinnert sie mich an Jeanne, ich weiß nur
nicht, warum«, brummte Wolf.
»Vermutlich die Oberweite, Chef«, kicherte Jo.
»Mag sein.« Wolf blieb kurz stehen, drückte seine nur
halb gerauchte Zigarette aus und warf sie in einen Abfallbehälter. Wenige
Schritte vor dem Fachwerkhaus mit dem blank polierten Messingschild »Chez
Jeanne« holte er Jo und Kalfass ein.
»Wir versuchen’s zuerst in der Boutique.«
Die Prechtl bediente gerade eine Kundin. Als sie die
Polizisten erkannte, reichte sie diese jedoch an eine ihrer Mitarbeiterinnen
weiter.
»Was wollen Sie denn noch?«,
zischte sie. »Ist nicht gerade geschäftsfördernd, wenn die Polizei ständig hier
antanzt.«
Kalfass hielt ihr ein Schriftstück unter die Nase.
»Das ist ein Durchsuchungsbeschluss für Ihr Geschäft und Ihre Wohnung, Frau
Prechtl. Wenn Sie sich kooperativ verhalten, sind Sie uns in verhältnismäßig
kurzer Zeit wieder los. Wir würden gerne mit Ihrer Wohnung beginnen, wenn’s
recht ist.«
»Sie haben sicher nichts dagegen, wenn ich meinen
Anwalt anrufe«, antwortete Jeanne eisig.
»Tun Sie sich keinen Zwang an. Wir müssen allerdings
nicht auf ihn warten.«
Als wollten sie diesen Hinweis unterstreichen, gingen
Kalfass und Jo bereits suchend durch den Verkaufsraum, was die Prechtl in einen
gewissen Zugzwang brachte. Anwalt herbeitelefonieren oder die Polizei aus dem
Laden schaffen – sie musste sich entscheiden, und zwar schnell. Ihr gesunder
Geschäftssinn siegte. »Gehen wir«, stieß sie kaum hörbar zwischen den Zähnen
hervor und schlug den Weg zum Treppenhaus ein.
Jeanne nannte eine hübsch eingerichtete
Maisonettewohnung im Dachgeschoss ihr Eigen. Nach einem ersten Rundblick
spitzte Wolf anerkennend die Lippen. Jo hatte die Frau richtig eingeschätzt:
Sie hatte Geschmack – und verfügte über das notwendige Geld!
»Wir beginnen hier unten«, ordnete Wolf an.
»Was suchen Sie eigentlich?«, wollte die Prechtl
wissen.
»Tut uns leid, das dürfen wir Ihnen aus
ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen«, antwortete Kalfass nebenbei aus der
Küche.
In mühsamer Kleinarbeit filzten sie Wohnzimmer,
Arbeitszimmer, die Küche und zuletzt den großzügigen Flur, ließen keinen Winkel
aus, hoben Teppiche an, schauten auf Schränke und Jalousien und hinter jedes
Bild.
Sie fanden nichts, was
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