Seehaie
auch nur im Entferntesten
verdächtig gewesen wäre.
»Wir gehen eine Etage höher«, bestimmte Wolf.
Eine weitere Stunde verging. Die Prechtl machte aus
ihrer Wut kein Hehl. Merkwürdigerweise schien sie jedoch das Thema Anwalt
vergessen zu haben. Uns kann’s recht sein, dachte Wolf.
Schließlich hatten sie alle Räume durchsucht – ohne
Ergebnis. Sollten sie sich doch getäuscht haben?
»Und was ist da drin?« Wolf zeigte auf eine niedrige,
kaum sichtbare Tür in der Dachschräge des Schlafzimmers.
»Abstellkammer«, antwortete die Prechtl einsilbig.
»Aufmachen«, verlangte Wolf ebenso kurz.
Ein kleiner Schlüssel wurde gesucht und gefunden und danach
das Türchen aufgeschlossen. In der niedrigen, dunklen Nische dahinter befand
sich tatsächlich nur wertloser Plunder.
Wolf entdeckte eine zweite Tür. »Lassen Sie uns auch
hier reinsehen!«
»Bitte, wenn’s der Wahrheitsfindung dient«, murrte die
Wohnungsbesitzerin.
Wieder nichts. Kalfass und Jo gingen bereits Richtung
Tür, als Wolf noch ein letztes Mal den Blick durch das Schlafzimmer gleiten
ließ. Der blieb an dem romantischen französischen Himmelbett hängen. Nicht das
Bett als solches weckte Wolfs Interesse, das hatten sie bereits gründlich
durchsucht. Es war mehr eine Intuition …
Und schon zog er, trotz des heftigen Protestes der
Prechtl, das Bettgestell ein Stück von der Wand weg. Dahinter kam ein weiteres
Türchen zum Vorschein.
»Aufmachen, bitte«, forderte Wolf.
»Die Nische dahinter ist leer. Außerdem gibt es keinen
Schlüssel.«
»Ludger«, rief er demonstrativ, »hol Werkzeug.«
Unruhig trat die Prechtl von einem Fuß auf den andern.
»Moment, ich schau noch einmal nach.«
Tatsächlich kehrte sie mit einem Schlüssel zurück. Mit
zusammengepressten Lippen schloss sie auf, dann trat sie zurück. Wolf bückte
sich und sah durch die Öffnung. Die Nische war leer.
»Hab ich doch gleich gesagt!«
»Lassen Sie mich mal, Chef?«, drängte sich Kalfass vor
und kroch auf allen vieren in den Hohlraum. Einen Augenblick später streckte er
seine Hand aus dem Loch. »Kann ich Ihr Feuerzeug haben?« Wolf reichte es ihm.
Wieder vergingen einige Sekunden.
Kalfass begann mit einem Ächzen, rückwärts aus der
Nische herauszukriechen, hielt jedoch plötzlich inne.
»Was ist?«, fragte Wolf.
Undeutliches Gemurmel drang nach außen, dann polterte
etwas Schweres auf den Boden. Als Kalfass schließlich aus der Nische kroch, zog
er an einem Tragriemen ein längliches grünes Paket hinter sich her.
»Das stand links um die Ecke, ganz verdeckt. Mehr ist
nicht drin«, keuchte Kalfass und musste husten. Die Prechtl stand hinter ihm
und brachte keinen Ton heraus.
»Mir reicht’s – wenn es ist, was ich denke.« Wolf
konnte seine Befriedigung kaum verbergen. »Gut gemacht, Ludger. Du siehst,
Hartnäckigkeit zahlt sich aus.«
Das Paket erwies sich als eine Art Sack aus
imprägniertem, robustem Gewebe, war gut einen Meter lang und unten etwa zwei
Handbreit dick, nach oben hin schmäler werdend. An der Längsseite befand sich
ein Reißverschluss.
Kalfass wollte daran ziehen, doch Wolf hielt ihn
zurück. Er nestelte ein Paar Latexhandschuhe aus seiner Jackentasche und
streifte sie über. Dann zog er langsam den Reißverschluss nach unten.
***
»Ich
glaube fast, die Prechtl hatte keine Ahnung, welchen Schatz sie da in ihrer
Wohnung verbarg«, brach Jo das Schweigen. Sie befanden sich auf dem Rückweg zum
Auto, der Bahnhof war nur noch wenige Schritte entfernt. Kalfass trug das Paket
über der Schulter – wie ein Jäger, der im Morgengrauen durch den Wald zu seinem
Hochsitz stapft, dachte Wolf.
»Vielleicht hat Starek ihr die Waffe heimlich
untergejubelt?«, überlegte Jo weiter.
»Kann sein. Allerdings ist das Gewehr nur die halbe
Miete. Ebenso wichtig ist die Munition, die dabei war. Habt ihr euch die mal
genau angesehen?«
»Drei Schachteln, zwei davon voll, bei der dritten
fehlen zwei Patronen. Kommt aus Italien, das Kaliber passt zum Gewehr.«
»Und?«
»Haben wir was übersehen?«, wollte Jo wissen.
»Euch scheint entgangen zu sein, dass bei der
angebrochenen Schachtel eine Lasche fehlt.«
Jo schaltete als Erste. »Ich werd verrückt! Denken
Sie, dass es sich bei dem fehlenden Teil um das Kartonstück handelt, das Sie
nach Kupkas Ermordung im Wald gefunden haben?«
»Ja. Außerdem bin ich sicher, dass die von dir
gefundene Hülse aus der angebrochenen Schachtel stammt.«
In diesem Augenblick klingelte ein Handy. Alle drei
blieben
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