Seekers 03: Auf dem Rauchberg
Ruhe vielleicht nötiger hatte als die übrigen Mitglieder der Gruppe.
Lusa sank augenblicklich aufs Gras und bereits kurze Zeit später schnarchte sie leise. Taqqiq ließ sich ein Stück abseits nieder. Den Kopf zwischen den Tatzen warf er allen unfreundliche Blicke zu. Kallik sah, dass die Wut über den Kampf und die Tatsache, dass sie Ujuraks Geheimnis vor ihm verborgen hatten, noch immer in ihm kochte.
Toklo watete in den Bach, um seine Tatzen vorsichtig in das kühle Wasser zu tauchen. Kallik folgte ihm, weil sie dachte, dass er die Wunden waschen wollte, die ihr Bruder ihm zugefügt hatte. In gewisser Weise war es mit Toklo genauso schwer wie mit Taqqiq: Er war zu stolz, um zuzugeben, dass er angeschlagen war und vielleicht Hilfe brauchte.
In diesem Moment trat Ujurak aus dem Dunkeln, ein Bündel Kräuter im Maul. Er legte sie neben Toklo ans Ufer. »Für dich«, sagte er leise. »Reib sie dir auf die wunden Stellen, wenn du aus dem Wasser kommst.«
Toklo stieß ein Grummeln aus und warf einen zornigen Blick in Taqqiqs Richtung. Kallik sah vom einen zum anderen. Wie ähnlich sich die beiden doch waren! Zwei sturköpfige Bären, die einen schweren Kummer mit sich herumschleppten und in einer Welt zu überleben versuchten, die sich gegen sie verschworen zu haben schien.
Während Ujurak Toklos Wunden zu untersuchen begann, ging Kallik zurück zu den anderen und legte sich dicht neben Taqqiq, jedoch ohne ihn zu berühren. Sie wusste nicht, ob es ihm gefiel, wenn sie sich an ihn schmiegte, so wie früher. Dennoch wollte sie ihm so nahe wie möglich sein.
Die hellen Lichter der Höhlensiedlung gaben dem Nachthimmel eine blasse Orangefärbung. Ganz schwach konnte Kallik einige Sterne erkennen, die hoch über ihnen funkelten. Im Moment hatte sie nicht das Gefühl, den Eisseelen sehr nahe zu sein. Die heiße Luft knisterte, wie der Himmel vor einem Sturm. Kalliks Fell fühlte sich schwer und kribbelig an. Sie wand sich unruhig und suchte nach einer bequemen Position, aber sie konnte nicht einschlafen, obwohl sie so müde war, dass sich ihre Tatzen wie Steine anfühlten. Auch wenn sie die Augen geschlossen hielt, war das Leuchten von den Höhlen immer da.
Schließlich gab sie es auf, rollte sich auf den Rücken und starrte in den Himmel, auf der Suche nach den winzigen Sternen, die wie ferne Eissplitter glitzerten. Ob ihre Mutter, wo immer sie jetzt war, sie beide sehen konnte? War Nisa stolz darauf, dass Kallik ihren Bruder gefunden hatte? Und machte es sie traurig, dass Taqqiq so ein Rüpel geworden war? Dieser feindselige, wütende Bär war so ganz anders als das niedliche kleine Bärenjunge, das sie aufgezogen hatte. Kallik bedauerte, dass Taqqiq Ujuraks staunenswerte Fähigkeiten nicht anerkennen konnte.
Ihre Gedanken wurden immer wirrer, bis sie schließlich doch einschlief. Sie träumte von Hunden und Gänsen und von Ujurak, der sich in ein Feuerbiest verwandelte, mit hartem, glänzendem Zeug über seinem Fell und Augen, die auf diese grelle, unheimliche und bedrohliche Weise leuchteten.
Kallik wurde früh wach vom Licht, das die allzu kurze Nacht schon wieder beendete. Die Sonne stieg bereits über die Bäume und schien ihr in die Augen. Einige wenige Sterne glitzerten noch am Himmel und eisiger Morgentau glitzerte auf den Gräsern. An ihren Rücken gedrängt spürte sie einen warmen Körper, und sie blieb ganz still liegen, einfach nur froh darüber, dass sie nicht mehr allein war.
Das andere Junge wälzte sich brummelnd. Eine Tatze plumpste zur Seite, sodass Kallik Taqqiqs weißes Fell sah. Obwohl sie im Freien auf Grasbüscheln schliefen, empfand Kallik es zum ersten Mal seit Monden wieder warm und kuschelig und sie drängte sich noch näher an Taqqiq heran.
»Hrrrrft«, murmelte Taqqiq. »Hrrrmbel.«
Das waren seine Aufwachgeräusche, das wusste sie noch aus der Zeit in der Geburtshöhle. Oh, Taqqiq, klagte sie stumm. Was ist mit dir passiert? Warum musstest du dich so verändern?
Unter ausgiebigem Gähnen rollte Taqqiq sich von ihr weg. Sie setzte sich auf und sah zu, wie er sich streckte und dehnte. Er schüttelte sich und sah sich um. Die anderen drei Bären schliefen noch.
Taqqiq warf Kallik einen forschen Blick zu. »Wollen wir jagen gehen?«
»Im Ernst? Hier draußen?«
»Klar«, sagte er. »Nur wir beide. Wie in alten Zeiten.«
Nicht wie in alten Zeiten, dachte Kallik. Damals hatten wir Nisa dabei, die uns zeigte, was zu tun war . Aber sie wollte ihn nicht daran erinnern. Sie sprang
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