Seekers 03: Auf dem Rauchberg
weit hinter ihnen. Eine kahle Ebene mit verkrüppeltem Buschwerk erstreckte sich ringsum.
»Wow, sieh nur, wie weit wir gekommen sind«, sagte Kallik. »Wir sollten uns auf den Rückweg machen.« Sie wollte sich umdrehen und zurückgehen, doch Taqqiq machte einen Satz nach vorn und versperrte ihr den Weg.
»Was wäre, wenn wir’s nicht tun?«, fragte er. »Der Große Bärensee liegt nur einen oder zwei Tage in dieser Richtung. Wir könnten viel schneller da sein ohne die anderen, die einen nur aufhalten. Wir könnten uns dort den Eisbären anschließen und mit ihnen zum Schmelzenden Meer wandern, wo wir früher gelebt haben.«
Kallik starrte ihn verblüfft an. »Aber was ist mit dem Ort des Ewigen Eises? Erinnerst du dich nicht mehr an all das, was Nisa uns darüber erzählt hat?«
»Doch, das tue ich«, erwiderte Taqqiq, »aber was ist, wenn das alles eben nur Geschichten sind? Sie hat uns auch von Sternen mit Vogelnamen erzählt, die sich gegenseitig gejagt haben, immer im Kreis herum. Du glaubst doch nicht, dass es das in Wirklichkeit gibt, oder?«
»Doch, natürlich!«, rief Kallik. »Die Große Bärin Silaluk wacht immer über uns. Sogar während des Feuerhimmels, wenn sie von den Jägern verfolgt wird. Und den Ort des Ewigen Eises gibt es wirklich, Taqqiq. Ich habe viele andere Bären davon reden hören.« Na ja, einige jedenfalls.
Taqqiq schnaubte. »Alte Bären mit Robbenlöchern im Gehirn. Selbst wenn er existiert, woher weißt du, dass du ihn jemals finden wirst? Warum vertraust du diesen Bären? Die haben doch gar kein Interesse daran, einen Ort zu finden, der aus Schnee und Eis besteht.« Er trat auf sie zu und sah sie flehend an. »Wir gehören nicht mit Braunbären und Schwarzbären zusammen, Kallik. Und bestimmt nicht mit verrückten Bären, die ihre Gestalt verändern und in Wirklichkeit vielleicht gar keine Bären sind.«
»Ujurak hat das Herz und die Seele eines Bären!«, widersprach Kallik. »Genau wie wir, wenn nicht mehr.«
»Du kennst ihn kaum«, knurrte Taqqiq. »Du kennst sie alle kaum, und trotzdem willst du dein Leben riskieren und mit ihnen in die Wildnis ziehen, anstatt nach Hause zu gehen, wo du hingehörst, unter deinesgleichen?«
Kallik suchte verzweifelt nach Worten, um deutlich zu machen, was sie empfand. So wie Taqqiq die Sache darstellte, hörte sie sich tatsächlich verrückt an. Aber sie wusste … sie wusste ganz genau, dass der Weg, auf dem sie sich befand, zu dem Ort führte, wo die Bärenseelen tanzten. Sie wusste, dass es ihr bestimmt war, dorthin zu gehen, und sie wusste, dass sie mit diesen Bären gehen sollte. Wie konnte sie Taqqiq das erklären, wenn er es nicht selber fühlte?
»Bitte, Kallik«, sagte Taqqiq leise, und sein Blick war jetzt ganz sanft. »Komm mit mir. Es wird so sein wie früher. Wir gehen dorthin zurück, wo wir geboren wurden, jagen gemeinsam nach Robben und erzählen uns Geschichten über Mutter, ganz so, wie es sein soll. Außerdem sind wir jetzt schon so weit gekommen, da können wir auch gleich weiter zum Großen Bärensee gehen.«
»Weil du mich reingelegt hast!«, erwiderte Kallik wütend. »Du wusstest, dass ich nicht mitkommen würde, wenn du mir verraten hättest, was du vorhast!« Sie blickte sich um und kämpfte gegen die aufsteigende Panik an. Ihre Spur verlor sich schnell in dem sumpfigen Gelände. Was, wenn sie die anderen nicht wiederfand?
»Aber du solltest mit mir kommen«, beharrte Taqqiq. »Du solltest mit anderen Eisbären zusammen sein – mit mir .«
Kallik dachte an die Erzählungen ihrer Mutter und das Leuchten in Nisas Augen, wenn sie über das Ewige Eis gesprochen hatte. Nisa hatte geglaubt, dass sie eines Tages gezwungen wären, dorthin zu wandern, weil das Eis mit jedem Jahr schneller schmolz. Also würde sie doch sicherlich wollen, dass Kallik sich auf die Suche machte?
Andererseits war Nisas Geist die ganze Zeit bei ihr gewesen, um sie zu Taqqiq zu führen. Kallik hatte ihre Stimme gehört und in Träumen, in Nebeln und Spiegelungen auch ihre Gestalt erblickt. Wenn nun ihre Mutter wollte, dass sie zusammenblieben? Bedeutete das, dass Kallik zum Schmelzenden Meer zurückkehren musste?
Bitte schick mir noch ein weiteres Zeichen, bat Kallik. Sie reckte ihren Kopf zum Himmel mit dem Wunsch, eine Eisseele möge herabsteigen und ihr sagen, was sie tun sollte.
Plötzlich hielt sie den Atem an. Einer der Eispunkte am Morgenhimmel war noch immer sichtbar. Aber es war kein gewöhnlicher Stern. Er blinzelte, wie ein
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