Seekers - Am Großen Bärensee - Hunter, E: Seekers - Am Großen Bärensee - Seekers, Great Bear Lake
stehen und versperrte ihm den Weg. »Taqqiq, was hast du getan?«
Sie reckte den Hals, um an dem Jungen zu schnuppern. Sein warmes schwarzes Fell roch nach Blättern, Bäumen und regenwurmreicher Erde.
Taqqiq ließ das Junge fallen und stellte ihm eine Tatze auf den Hals, damit es nicht weglaufen konnte. Das Junge stieß vor Schmerz und Angst einen Schrei aus und Kallik hatte großes Mitleid mit ihm. Dieser junge Schwarzbär war ein Bär wie sie, ebenso verängstigt, wie sie es wäre, wenn ein größerer Bär sie als Beute mitgenommen hätte.
»Es ist ja nur ein Schwarzbär und er gehört jetzt uns«, knurrte Taqqiq. »Der ist so klein und schwach, dass er sich von Ameisen und Würmern ernährt.«
»Willst du ihn etwa fressen?« Kallik konnte das Zittern in ihrer Stimme nicht verbergen.
»Nein, wer will schon so ein Fellknäuel fressen!« Taqqiq schnaubte verächtlich. »Salik sagt, er muss am Leben bleiben, denn sonst denken Kunik und Siqiniq und die anderen Eisbären, wir hätten ihn tot gefunden, und der Plan würde nicht aufgehen.«
»Was redest du da, Taqqiq? Welcher Plan?«
»Wenn die anderen Bären sehen, wie einfach es war, das Junge hier aus dem Wald zu holen, wollen sie bestimmt mit uns hin und die anderen vertreiben. Das Schwarzbärenrevier wartet nur auf uns, Kallik!«
»Aber das ist doch noch ein Jungtier!«, rief Kallik. »Lass es gehen.«
Taqqiq ließ ein verärgertes Knurren hören. »Du verstehst das nicht.«
»Ich verstehe, dass du ihm wehtust.« Kallik grub vor Zorn die Krallen in den nassen Boden. »Taqqiq, bist du verrückt? Was ist mit den anderen Schwarzbären? Die großen sind bestimmt wütend.«
Taqqiq schnaubte verächtlich. »Die verstecken sich alle in den Bäumen, die Hasenfüße.«
»Hast du denn gar keine Angst, dass sie nach dem Jungen suchen?«
»Nein, ich habe keine Angst«, erwiderte Taqqiq bestimmt. »Die Schwarzbären wissen, dass sie gegen uns nichts ausrichten können. Jetzt kann nur noch eine Bärenart überleben – die stärkste und die gefährlichste. Und das sind wir!«
»Taqqiq, nein! Eisbären brauchen Eis, Robben und Fisch. Was würde uns die Nahrung aus dem Wald wohl nützen? Überlass sie doch den Schwarzbären.«
»Du verstehst es einfach nicht!!« Taqqiq klang jetzt richtig wütend. »Das Eis schmilzt jedes Jahr früher. Nisa hat uns das schon in der Geburtshöhle gesagt. Was passiert, wenn es kein Eis mehr gibt?«
»Das wird nie geschehen!« Kallik blieb vor Entsetzen die Luft weg. »Die Geister würden das nicht zulassen.«
»Ich habe dir doch gesagt, wenn es Geister gibt, dann sind wir ihnen offensichtlich egal. Wenn wir Eisbären überleben wollen, müssen wir das Eis verlassen und landeinwärts ziehen. Wir müssen die Reviere der Schwarzbären und der Braunbären übernehmen und lernen, dort zu leben. Das sagt Salik und ich glaube ihm.«
Einen Herzschlag lang musste Kallik an das Eis denken, an die riesigen glitzernden Flächen mit Puderschnee, den der Wind verwehte. Sie sah vor sich, wie sie mit ihrer Mutter und Taqqiq an einem Robbenloch gelauert und wie lecker das Fett geschmeckt hatte. Sie erinnerte sich an ihre Geburtshöhle, in der sie warm und geborgen gewesen war, während draußen die Sturmwinde heulten. Und das sollten die Eisbären aufgeben, um im schmutzigen feuchten Wald zu leben?
»Das werden die Eisbären nie tun«, fauchte sie ihren Bruder an. »Du hast wohl Schneeflocken im Hirn.«
Kaum hatte sie das letzte Wort gesprochen, da hörte sie jemanden durch den Sumpf platschen, und als sie aufblickte, sah sie Taqqiqs drei Freunde am Ufer entlanglaufen. Ihr Mut sank. Taqqiq allein hätte sie vielleicht überzeugen können, das Bärenjunge gehen zu lassen, doch bei Salik würde ihr das nie gelingen.
»Nicht du schon wieder!«, knurrte Salik, als er bei ihnen angelangt war. »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst uns vom Hals bleiben?«
»Ich habe keine Angst vor dir«, gab Kallik zurück und stellte sich ihm entgegen.
Salik und die anderen beiden beachteten sie nicht weiter, sondern wandten sich Taqqiq zu, der die Tatze vom Nacken des Schwarzbärenjungen nahm und das kleine Tier aufstehen ließ. Es fletschte die Zähne und schlug mit einer Tatze nach Salik, drang jedoch mit seinen Krallen nicht durch sein Fell. Der Eisbär rächte sich mit einem Hieb auf den Kopf des Kleinen.
»Nein! Lasst mich gehen!«, heulte es auf.
Salik versetzte ihm einen weiteren Schlag in die Seite und das Junge duckte sich wimmernd. Iqaluk ging zu ihm
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