Seekers - Am Großen Bärensee - Hunter, E: Seekers - Am Großen Bärensee - Seekers, Great Bear Lake
eben geben, was wir haben wollen«, fügte Taqqiq hinzu. »Sie sind zu schwach und zu dumm, um gegen uns zu kämpfen.«
»Das ist doch keine Rechtfertigung!«, fuhr Kallik ihn an.
Salik wollte knurrend auf sie losgehen, doch da ergriff Siqiniq das Wort. »Das ist nicht recht. Haben wir nicht schon genug Probleme mit den Krallenlosen, ohne dass wir uns auch noch mit anderen Bären anlegen?«
»Das ist nicht Eisbärenart«, stimmte Kunik ihr zu.
»Ihr solltet euch schämen, den kleinen Bären so in Angst und Schrecken zu versetzen«, fügte eine Bärenmutter hinzu.
»Aber unsere Jungen werden sterben, wenn sie nichts zu fressen bekommen«, wandte eine andere Bärenmutter ein.
»Ich glaube, Taqqiq und Salik haben nicht ganz unrecht«, knurrte Taqqiqs Freund Iqaluk. Er beugte sich zu Miki hinab und stupste ihn mit der Schnauze an.
»Seht euch mal den großen runden Bauch an«, fuhr Iqaluk fort. »Warum sollen sich die Schwarzbären den Bauch vollschlagen, während wir hungern?«
»Das ist nur ein Anfang«, erklärte Salik. »Ihr Leben lang starren die Eisbären nur aufs Meer und warten darauf, dass das Eis zurückkommt. Machen wir uns doch nichts vor. Das Eis kommt nicht mehr zurück! Wir müssen die Küste verlassen und im Wald leben.«
»Im Wald leben?«, knurrte Imiq. »Niemals!«
»Wir brauchen Nahrung, und die Geister haben uns gezeigt, wo wir welche finden«, sagte Iqaluk. »Das kann doch kein Zufall sein, dass das Junge am Längsten Tag zu uns gekommen ist.«
»Es ist nicht zu uns gekommen!«, rief Kallik. »Es wurde gestohlen!«
Doch kein Bär hörte ihr zu. Sie beobachtete, wie sich der kleine Schwarzbär wand, um den riesigen Tatzen der Eisbären auszuweichen, die einander anknurrten, anbrüllten und darum stritten, was als Nächstes zu tun sei. Kallik wurde unversehens an den Rand der Menge gedrückt. Als sie zurückwollte, um dem kleinen Schwarzbär zu helfen, blockierte ihr eine Wand aus riesigen pelzigen Leibern den Weg.
Kurze Zeit später entdeckte sie Taqqiq, der sich aus der Menge schlängelte, schwer atmend ans Ufer trottete und die Schnauze zum Trinken ins Wasser streckte. Kallik ging zu ihm.
»Taqqiq, das kannst du nicht machen«, versuchte sie es aufs Neue.
Ihr Bruder blickte auf. Das Wasser tropfte ihm von der Schnauze. »Lass mich einfach in Ruhe«, brummte er. »Du hast sie doch gehört. Und ein paar andere Bären sind auch unserer Meinung.«
»Aber andere nicht!«, gab Kallik zurück.
Taqqiq drehte sich knurrend zu ihr um. Erschrocken wich Kallik zurück.
»Hau ab hier«, fauchte Taqqiq und ging drohend auf sie zu. »Ich habe es satt, dass du dauernd deine Schnauze in meine Angelegenheiten steckst. Geh doch zu den Schwarzbären, wenn du sie so magst.«
Kallik, der die Art, wie er sie ansah, plötzlich Angst machte, ging einen weiteren Schritt zurück. Das Wasser schlug ihr schon gegen den Bauch.
»Taqqiq, nein …«, flehte sie.
Er machte noch einen Schritt und Kallik stolperte ins tiefe Wasser. Nun konnte sie kaum noch stehen. Hinter ihrem Bruder sah sie, dass die anderen Bären noch um Salik und das Junge versammelt waren. Sie hatten nicht bemerkt, was am Ufer geschah. »Siqiniq!«, rief sie, doch die alte Bärin hörte sie nicht.
»Siehst du?«, fragte Taqqiq höhnisch. »Keiner will dich hier haben. Du bist ja nicht mal ein richtiger Eisbär. Eisbären tun fürs Überleben alles.«
»Ich bin mehr Eisbär als du! Ein echter Eisbär hat Achtung vor den Geistern.« Kallik versuchte, an Taqqiq vorbei zum Ufer zu gelangen, doch ihr Bruder verstellte ihr den Weg und stieß sie unsanft mit der Schulter zurück.
Kallik verlor das Gleichgewicht und fiel mit einem großen Platscher ins Wasser. Als sie strampelte, um wieder auf die Tatzen zu kommen, spürte sie keinen festen Untergrund mehr. Verzweifelt paddelte sie in Richtung Strand, doch Taqqiq trat ihr knurrend entgegen.
»Verschwinde und komm nie wieder!«
Mit schmerzenden Beinen und steifem Nacken mühte sich Kallik ab, die Schnauze über Wasser zu halten. Irgendetwas stimmte an dieser Stelle mit dem See nicht. Das Wasser schwappte nicht zum Ufer und wieder zurück, sondern beschrieb kleine Kreise, die es ihr unmöglich machten, in einer geraden Linie zu schwimmen. Zudem schien das Wasser sie nicht zu tragen wie im Meer. Es fühlte sich seltsam dünn an.
»Nisa!«, jammerte sie. »Nisa, rette mich!«
Doch als Antwort hörte sie nur das Tosen des Windes und das Wogen des Wassers um sich herum.
27. KAPITEL
Lusa
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