Seekers - Die Suche beginnt - Hunter, E: Seekers - Die Suche beginnt
groß geworden?«
»Vielleicht hat es sich immer und immer wieder nach Beeren gereckt, bis sich irgendwann der Hals gedehnt hat«, versuchte sich Yogi an einer Erklärung. »Vielleicht geht es dir auch bald so, wenn du andauernd so einen Tanz aufführst, damit die Flachgesichter dir Früchte zuwerfen.«
»Außerdem habe ich noch ein Tier gesehen, das groß und grau war und eine lange, baumelnde Nase hatte«, unterbrach ihn Ashia schnell, um jedem weiteren Streit zuvorzukommen. »Seine Ohren waren so groß wie unsere größten Wassernäpfe, und es hatte zwei riesige Reißzähne, die auf beiden Seiten der Nase aus dem Maul ragten wie lange, gebogene Krallen.«
Lusa versuchte sich das bildlich vorzustellen, aber ihre Fantasie reichte dafür nicht aus. Wie konnte eine Nase so lang sein, dass sie herunterbaumelte? Sie fasste sich an die eigene, glänzend schwarze Nase und blinzelte verwirrt.
»Und dann ist da ein großer Zaun, der sich um das ganze Gelände herumzieht«, fuhr Ashia fort. »Drinnen, bei den Tieren, gibt es hauptsächlich Bäume und Gras und dazwischen graue Pfade. Aber draußen, auf der anderen Seite, da sind die Pfade breiter und ganz viele Feuerbiester rasen die ganze Zeit darauf hin und her und brüllen dabei. Und neben den Pfaden stehen Flachgesichterhöhlen, so wie unsere Steinhöhle, nur viel größer.«
»Warum brauchen die Flachgesichter so große Höhlen?«, fragte Lusa. »Sie sind doch viel kleiner als wir.«
»Das weiß ich auch nicht«, antwortete Ashia. »Vielleicht nehmen sie Bäume und Felsblöcke lieber mit in die Höhlen hinein, anstatt die von draußen zu benutzen.«
Yogi kratzte sich nachdenklich am Ohr. »Oder vielleicht leben die Feuerbiester auch mit in den Höhlen? Die sind ziemlich groß.«
King räusperte sich lautstark und wackelte mit dem Kopf. »Ich hab mal meine Nase in eine Flachgesichterhöhle gesteckt«, brummte er. »Sie horten Sachen, genau wie die Eichhörnchen und die Elstern. Ihre Höhlen sind voll mit Nahrung, man muss nur herausfinden, wie man da rankommt, und außerdem sammeln sie glänzende Schätze, die aber zum Essen nichts taugen.«
»Wozu?«, wollte Lusa wissen.
»Frag mich nicht«, grummelte King. »Man kann die Flachgesichter nicht begreifen.«
Ashia legte sich hin und blickte zu den flauschigen, weißen Wolken hinauf, die über den Himmel zogen. Immer wieder fielen ihr die Augen zu und ihre Stimme wurde zusehends leiser. »Und noch weiter weg«, murmelte sie, »hinter den Pfaden, hinter den Höhlen, hinter den Feuerbiestern konnte ich einen Berg sehen. Einen riesigen Berg, neben dem unsere Felsblöcke wie Sandkörner aussehen würden. Oben auf diesem Berg liegt Schnee und die Hänge sind von dunklen Wäldern bedeckt. Wälder, die unsere wenigen Bäume schlucken könnten, und keiner würde es merken.« Sie seufzte. »Es war so schön.«
King erhob sich auf die Hinterbeine und schnaufte ärgerlich. »Rede keinen solchen Unsinn«, wies er sie zurecht. »Die Berge und die Bäume, die wir hier im Bärengehege haben, sind groß genug, und es hat keinen Zweck, von Dingen zu träumen, die wir doch nicht haben können.«
»Ist das der Berg, von dem du gekommen bist, Vater?«, fragte Lusa. »Bist du oben gewesen, wo der Schnee liegt?«
»Da siehst du, was du angerichtet hast«, sagte King zornig zu Ashia. »Schluss jetzt mit dem Gerede über das, was es da draußen gibt. Sprecht nicht mehr davon – das gilt für euch alle.« Er ließ sich auf alle viere zurückfallen und stapfte, fast schäumend vor Wut, von dannen.
Lusa blickte ihm verwundert nach. Warum geriet ihr Vater so außer sich, wenn von der Welt außerhalb des Bärengeheges die Rede war? Sie wartete, bis er sich in einer entfernten Ecke, außer Hörweite, niedergelassen hatte, dann flüsterte sie ihrer Mutter zu: »Ich möchte mehr über den Berg wissen. Bitte, erzähl mir davon.«
Doch Ashia schlummerte bereits. Ein leichtes, schläfriges Summen entwich ihren Nasenlöchern. Als Lusa eine ihrer Tatzen anstupste, zuckte Ashia ein wenig zusammen, wachte aber nicht auf.
Lusa setzte sich hin, um zu warten. Die Sache war noch nicht abgeschlossen, ganz gleich, was ihr Vater dazu sagte. Sie wollte mehr über die Wildnis wissen und davon würde sie sich nicht abbringen lassen. Auf gar keinen Fall!
12. KAPITEL
Toklo
Trauer und Verwirrung schlugen über Toklo zusammen wie die Wellen über seinen Tatzen. Er blickte sich zu den anderen Bären um, die sich im Wasser oder am Ufer tummelten. Die meisten
Weitere Kostenlose Bücher