Seekers - Die Suche beginnt - Hunter, E: Seekers - Die Suche beginnt
mitzunehmen, weil sie glaubten, er sei tot? Oder wenn er irgendwo anders starb und sie ihn nicht finden konnten, weil sein Zeichen sich hier befand?
»Geh weg!«, brüllte Oka. »Du hast hier nichts zu suchen.«
»Aber … aber du bist meine Mutter«, wimmerte Toklo.
»Ich habe keine Jungen«, knurrte Oka. »Verschwinde!« Und sie ging mit ausgestreckten Krallen auf ihn los.
Toklo ergriff die Flucht und rannte, so schnell er konnte, auf den Wald zu.
Als er die ersten Bäume erreicht hatte, blickte er sich um und sah, dass Oka auf den Hinterbeinen stand, den Kopf brüllend in den Nacken gelegt. Ihr Blick war wild, und sie sah aus wie eine Fremde, überhaupt nicht wie seine Mutter. Toklo hatte, als Tobi gestorben war, nicht nur seinen Bruder verloren. Vielleicht war die Seele seiner Mutter ihrem Jungen zu weit in den dunklen Fluss gefolgt.
Er rannte in den Wald hinein, entschlossen, so weit wie nur irgend möglich von Oka wegzukommen. Eines Tages verlassen alle Jungen ihre Mutter , sagte er sich. Das war richtig, aber für gewöhnlich blieben sie schon noch ein paar Monde länger bei ihr, um das Jagen und Fischen von ihr zu erlernen.
»Ich kann mir das selbst beibringen«, sagte er laut. »Ich werde ganz alleine lernen zu jagen und nach Beute zu suchen.« Sie hat mir sowieso nicht viel beigebracht. Vielleicht bin ich jetzt sogar besser dran als vorher. Wenigstens kann ich gehen, wohin ich will, und meine eigenen Entscheidungen treffen. Ich kann in den Bergen bleiben, weit weg von dem Gestank der Feuerbiester.
Das Licht am klaren, blauen Himmel wurde immer heller, während er sich, dem sprudelnden Geräusch des Flusses folgend, zwischen den rauschenden, in der Sonne flirrenden Bäumen hindurchschlängelte. Er spürte die warme Brise in seinem Fell. Sie trug das Versprechen in sich, dass der Erdschlaf bald beendet war und der Fischsprung bevorstand. Der Geruch von Wachstum und Veränderung lag in diesem Wind.
Wenn so sein zukünftiges Leben aussehen sollte, dann war es eben so. Und falls es auf dieser Welt einen jungen Bären gab, der imstande war, auf eigene Faust zu überleben, dann hieß er Toklo. Er würde schon Mittel und Wege finden.
Ihm blieb gar keine andere Wahl.
13. KAPITEL
Kallik
Hunger nagte an Kalliks Eingeweiden und ihre Tatzen zitterten vor Erschöpfung. Die langen Schatten der Nacht stahlen sich über das nasse Gras davon, sobald die Sonne über den Rand des Horizonts lugte. Hoch oben zogen sich Wolkenstreifen über den Himmel wie lange Krallenspuren.
Als sie zu einem dürren Baum gelangte, einem der wenigen, die sie im gesamten Umkreis ausmachen konnte, ließ sie sich darunter nieder, um ein bisschen auszuruhen. Sie blickte hinauf zum Wegweiserstern, der noch so hell strahlte, wie er es die ganze Nacht getan hatte. Sie versuchte stets ihm zu folgen und gleichzeitig in der Nähe der Küste zu bleiben. Selbst oben auf dem Hügelkamm oder wenn sie sich landeinwärts wenden musste, um einen Bogen um unzugängliches Sumpfland zu schlagen, achtete sie darauf, den Geruch der Bucht in der Nase zu behalten.
Der kleine Stern glänzte am Himmel und erinnerte sie an Nisa und Taqqiq. Vielleicht betrachtete auch ihr Bruder genau in diesem Moment diesen Stern. Sie spürte, welch große Anziehungskraft er hatte, fast meinte sie, den Ort des ewigen Eises bereits riechen zu können. Sie musste ihn unbedingt finden, dann würde sie auch Taqqiq finden.
Sie stand auf, um weiterzuwandern, angezogen vom verblassenden Licht des Sterns. Vor ihr erstreckte sich grasbewachsenes Marschland, so weit das Auge reichte. Wenn sie die Tatzen aufsetzte, gab es ein schmatzendes Geräusch. Sie fühlte den Schlamm zwischen ihren Zehen und schüttelte sich. Wieder einmal verspürte sie den dringenden Wunsch, auf das gefrorene Meer zurückzukehren, um über festes Eis und sauberen Schnee zu laufen.
Während sie sich rutschend und stolpernd durch die Marsch kämpfte, probierte sie hin und wieder von dem Gras, aber das half so gut wie gar nicht gegen den Hunger. Beinahe wäre sie an dem kleinen, braunen Fellhaufen vorbeispaziert, der von hohem Gras verdeckt war, doch der auffrischende Wind fuhr genau im richtigen Moment durch die Grashalme und teilte sie.
Kallik stürzte sich auf die Beute, und während ihre Krallen in das Fleisch fuhren, begriff sie, dass es sich um ein Kaninchen handelte und dass es bereits tot war. Wie es zu Tode gekommen war, konnte sie nicht erkennen, aber sie war zu hungrig, um sich darüber Gedanken zu
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