Seekers - Die Suche beginnt - Hunter, E: Seekers - Die Suche beginnt
gelegen?«, fragte sie. »Macht es dir nichts aus, nass zu werden?«
Oka schloss die Augen und antwortete nicht.
»Vielleicht bist du ja daran gewöhnt«, fuhr Lusa unbeirrt fort. »In der Wildnis wird man ständig nass, stimmt’s?«
Oka reagierte immer noch nicht.
»Ich wünschte, ich könnte in die Wildnis gehen«, sagte Lusa sehnsüchtig. »Ich würde gern den Wald kennenlernen und meine eigene Beute erlegen.«
Oka schnaubte, sodass Lusa zusammenfuhr. »Da ist keine Beute«, knurrte die Braunbärin. Ihre schwarzen, wilden Augen waren jetzt offen. »Es gibt dort nichts zu fressen.«
»Aber irgendetwas musst du doch gefressen haben. Ich dachte, in der Wildnis wimmelt es von Beute.«
»Früher war das so«, grummelte Oka. »Fischen … Fische in den Flüssen jagen, das haben wir immer gemacht … damals.«
»Was sind Flüsse?«, fragte Lusa.
»Das sind lange Wasserzungen, die sich durch die Hügel, Berge und Wälder ziehen. Und in den Flüssen schwimmen Fische.«
»Ich glaube, ich habe noch nie einen Fisch gefressen«, gestand Lusa. »Aber ich weiß, dass Opa Griesgram manchmal welche bekommt. Und die Eisbären fressen sie auch, deshalb weiß ich, wie sie riechen.« Sie rümpfte die Nase.
»Fisch ist die Lieblingsbeute der Braunbären«, erklärte Oka. Ihre Augen waren wieder halb geschlossen. »Toklo hätte sie gern gefressen. Er wäre bestimmt geschickt darin gewesen, sie zu fangen. Vielleicht ist er es jetzt, aber das werde ich nie erfahren.« Sie brach abrupt ab.
»Wer ist Toklo?«, fragte Lusa.
»Tobi«, murmelte Oka, rollte sich auf die Seite und legte ihre Schnauze auf den Boden. »Warum hast du uns verlassen? Es tut mir so leid, dass ich dir nicht genug zu fressen geben konnte, aber hab ich nicht alles versucht? Hättest du nicht noch ein bisschen durchhalten können?«
»Wer sind Tobi und Toklo?«, fragte Lusa eindringlich und zog sich, indem sie ihre Krallen in den Zaun hakte, auf die Hinterbeine hoch. »Oka, bitte sag mir, wer das ist!«
»Du weißt nicht, was ich gezwungen war zu tun, Tobi«, flüsterte Oka. »Was ich dem armen Toklo antun musste. Wozu ich gezwungen war, um einfach nur zu überleben. In den Höhlen der Glattpelzigen nach Nahrung stöbern, vor den Feuerbiestern weglaufen.« Ein heftiges Zittern ergriff ihren Körper. »Toklo«, rief sie. »Es tut mir leid, Toklo.«
Sie schloss die Augen. Lusa starrte Oka bestürzt an. Es war nicht ihre Absicht gewesen, sie derart aufzuwühlen. Stumm zog sie sich zurück. Was auch immer geschehen war, bevor Oka ins Bärengehege gebracht wurde, es musste wahrhaft entsetzlich gewesen sein.
Lusa ließ Oka für ein paar Tage allein, aus Sorge, dass sie die Braunbärin wieder aus der Fassung bringen würde, wenn sie sie mit ihren Fragen bedrängte. Aber Oka kauerte die meiste Zeit in der Nähe des Zauns, daher entschloss sich Lusa schließlich, es noch einmal zu probieren. Vielleicht brauchte Oka die Gesellschaft eines echten Bären, anstatt immerzu mit ihren traurigen Erinnerungen allein zu sein. Vielleicht würde sie sich besser fühlen, wenn sie Lusa davon erzählen konnte.
Die Sonne stand hoch am Himmel, Yogi und Stella lagen träge auf den Felsen herum und es war nichts mit ihnen anzufangen. Lusa verließ ihren Baumsitz und tappte auf den Zaun zu. Sie spazierte dicht an Okas Stammplatz vorbei, um zu sehen, ob die Grizzlybärin darauf reagieren würde. Nichts passierte, also drehte sie sich um und ging denselben Weg zurück.
Oka grunzte. Lusa blieb sofort stehen. Es war nicht gerade ein »Herzlich willkommen«, aber es klang auch nicht nach »Verzieh dich«. Sie schob sich näher heran.
»Hallo, Oka«, sagte sie. »Wie fühlst du dich heute?«
Oka blinzelte und grunzte noch einmal.
»Das Bärengehege ist doch gar nicht so übel, oder?«, begann Lusa. »Ich weiß, Opa Griesgram ist ein bisschen … äh, griesgrämig, aber die Bären auf dieser Seite des Zauns sind nett, ehrlich. Der größte dort drüben, der gerade aus dem Wassernapf trinkt, das ist mein Vater King. Ashia, meine Mutter, ist in der Höhle und hält ein Nickerchen. Und dieser faule Fellhaufen auf dem Felsen da vorne ist mein Freund Yogi. Der könnte dir gefallen. Er ist ziemlich lustig, wenn er einem nicht gerade auf die Nerven geht.«
Okas Ohren zuckten. Das mochte, wie Lusa hoffte, darauf hindeuten, dass sie ihr zuhörte.
»King ist auch aus der Wildnis gekommen, genau wie du«, fuhr sie fort. »Er will mir allerdings nichts über die Berge erzählen. Mutter sagt,
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