Seekers - Die Suche beginnt - Hunter, E: Seekers - Die Suche beginnt
bemerkte neben dem Duft der Beute noch den moschusartigen Geruch eines anderen Bären. Dieser Bär hatte seine Beute offenbar hier vergraben, um sich einen Vorrat anzulegen. Toklo brannte das Fell vor Neid. Es war einfach ungerecht, dass dieser andere Bär so viel besaß und es sich leisten konnte, derartige Beutestücke zu horten.
Seine Mutter muss ihm wohl beigebracht haben, wie man richtig jagt , dachte Toklo.
Er blickte sich um, spitzte die Ohren und schnupperte in die Gegend. Keine Anzeichen, dass der andere Bär in der Nähe war. Wer auch immer es war, er würde in helle Wut geraten, wenn er feststellte, dass von seinem kostbaren Fang etwas fehlte. Toklo erinnerte sich, dass seine Mutter ihm eingeschärft hatte, niemals fremde Beute zu stehlen.
Was kümmert es mich noch, was sie denkt? Sie kümmert sich ja auch nicht um mich! Ist sie denn hier, um mir zu sagen, was ich tun soll?
Er kauerte sich hin und schlug die Zähne in das weiche Fleisch eines Eichhörnchens. Mit jedem Bissen spürte er seine Kräfte zurückkehren und jegliche Gedanken an Oka und ihre Ermahnungen schmolzen dahin wie Schnee in der Sonne.
Nachdem er so viel gefressen hatte, wie er konnte, bedeckte Toklo die Reste des erlegten Wilds mit Erde und Schnee. Er versuchte die Deckschicht wieder so festzuklopfen, dass das Versteck jedenfalls auf den ersten Blick unangetastet schien, befürchtete aber, dass sein Geruch ihn verraten würde. Rasch durchsuchte er daher das dichte Unterholz, bis er einige stark riechende Blätter gefunden hatte, die er über der Vorratsstelle verteilte. Vielleicht würden sie seinen Geruch wenigstens so lange überdecken helfen, bis er aus dem Revier des anderen Bären verschwunden war.
Gestärkt nach diesem köstlichen Mahl setzte Toklo seinen Weg fort. Eines Tages würde auch er sein eigenes Revier haben. Er musste einfach nur genug zu fressen finden, um zu überleben, und sich vor anderen Bären in Acht nehmen, bis er alt und groß genug war, sich irgendwo seinen Platz zu erkämpfen.
Er hielt die Ohren offen, während er sich, stets auf der Hut vor anderen Bären, seinen Weg zwischen den Bäumen hindurch bahnte, immer weiter den Berg hinauf. Bewusst mied er alle Stellen mit weichem, feuchtem Untergrund, um möglichst keine Spuren zu hinterlassen. Es lag noch reichlich gefrorener, harter Schnee, auf dem er gehen konnte, und je höher er kam, desto mehr davon fand er.
Der Wind schien zusehends kälter zu werden, zerzauste ihm das Fell und ließ seine Augen tränen. Eben kämpfte sich Toklo eine Steigung hinauf, da erblickte er eine dunkle Gestalt, die sich, nur wenige Bärenlängen entfernt, durch den Wald bewegte. Toklo verharrte reglos im Schatten eines Baumes.
Es war ein ausgewachsener Bär, und seinem Geruch nach zu urteilen war es derselbe, dem er die Beute gestohlen hatte. Der fremde Bär hatte breite Schultern und sein Fell war schlammverschmiert. Toklo verhielt sich absolut still, denn ihm war klar, dass jede Bewegung und selbst das Knacken eines Zweiges unter seinen Tatzen die Aufmerksamkeit des Bären erregen musste. Wie froh war er, dass der Wind ihm ins Gesicht blies, anstatt seinen Geruch dem anderen Bären zuzutragen!
Toklo machte sich so klein wie möglich, in der Hoffnung, dass der Baum ihn verdeckte. Der Wind legte sich für einen Moment, und in die Stille hinein quäkte laut ein Vogel, als habe er Toklo entdeckt und würde rufen: »Hier drüben ist er! Komm, hol ihn dir!«
Toklos Herz begann wie wild zu schlagen. Er sah, dass der andere Bär auf den Hinterbeinen stand und schnupperte. Bitte, riech mich nicht. Bitte, geh weiter . Toklo schloss die Augen und wartete darauf, dass eine schwere Pranke auf seine Schultern niedersauste.
Erst nach einiger Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, öffnete er wieder die Augen. Der Bär trottete hinab in Richtung Fluss. Toklo hoffte, dass er nicht sofort sein Beuteversteck ansteuerte, doch sicherheitshalber verschärfte er das Tempo und setzte seinen Weg im Laufschritt fort.
Als er vor sich Sonnenlicht schimmern sah, ging er noch ein bisschen schneller und stürzte dann aus dem Wald heraus auf eine Wiese.
Plötzlich war er von strahlend gelber Wärme umhüllt und hatte für einen Moment das irritierende Gefühl, er sei geradewegs in die Sonne gerannt. Er blinzelte mehrmals, bis sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten. Er stand auf einem Feld voller gelber Blumen, deren intensive Farbe ihn ein bisschen erschreckte, ihm aber auch tröstlich
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