Seekers - Die Suche beginnt - Hunter, E: Seekers - Die Suche beginnt
erschien. In der Ferne, jenseits der Wiese, erhob sich ein großer Berg in den Himmel. Toklo betrachtete ihn erstaunt. Er sah aus wie der Kopf eines Bären, die Nase in die Wolken gereckt, das Maul halb offen, als rufe er der Sonne etwas zu, die hinter ihm unterzugehen begann.
Er beugte sich nieder, um eine der gelben Blumen zu beschnüffeln. An dem Stängel waren keine Blätter und die gelbe Blüte hing vom oberen Ende herab. Ihr Geruch war frisch und würzig, kräftiger und schmackhafter als der Löwenzahn neben dem Schwarzpfad, den er nach dem Willen seiner Mutter immer hatte fressen müssen. Ein noch köstlicherer Geruch aber kam aus der Erde.
Toklo grub den Boden mit den Krallen auf und kratzte den braunen Sand weg, aus dem die Blume wuchs. Der Stängel reichte bis unter die Erde und lief in einer runden weißen Knolle aus. Toklo riss diese Knolle ab und schob sie sich ins Maul. Sie knirschte angenehm zwischen den Zähnen und nach kurzer Zeit bekam er ein prickelndes Hitzegefühl in Maul und Hals. Er grub die Blume daneben aus und verzehrte auch deren Knolle.
Aufgewärmt und gesättigt begab er sich zu einer Schneeansammlung am Rande der Baumlinie. Die Nacht kam über die Wiese herangeschlichen und dämpfte das Strahlen der Blumen, am dunklen Himmel tauchten die ersten Sterne auf. Toklo grub sich einen Unterschlupf im Schnee, einen flachen Hohlraum, in dem er sich zusammenrollen konnte und der ihm nach allen Seiten ein bisschen Schutz vor dem Wind bot. Dort kroch er hinein und blickte hinauf zu den Sternen, die einer nach dem anderen funkelnd zum Leben erwachten.
Der hellste Stern von allen stand fast genau über ihm, und je dunkler es wurde, desto heller schien er zu strahlen. Er erinnerte sich an die Erzählung seiner Mutter, wonach dies die Seele eines bösen Bären sei, der von den anderen Tieren vertrieben worden war. Während er den Stern betrachtete, beschlich ihn eine Ahnung, wie sich das anfühlen musste. Der Stern war allein, der einsamste Stern am Himmel, genau wie Toklo. Er brauchte keinen anderen Stern, um zu überleben. Er lebte am endlosen Himmel ganz für sich, ebenso wie er, Toklo, ganz auf eigene Faust über die endlosen Berge wanderte.
Langsam fielen ihm die Augen zu und in seinen wirren Träumen glaubte er den Stern rufen zu hören: »Toklo! Sei stark wie ich!« Und dann träumte er, er wandere durch dunkelviolette Wolken geradewegs in den Himmel. Als er nach unten blickte, schimmerte sein Fell silbern, und er begriff, dass er der Stern geworden war. Es war kalt am Himmel, er hörte die Stimmen der anderen Tiere von weit her flüstern, doch er reckte stolz seine Schnauze dem Mond entgegen. Was immer er getan hatte, um hierher verbannt zu sein, er würde dafür einstehen.
16. KAPITEL
Kallik
Kallik wanderte am Fuß einer flachen Klippe entlang und beobachtete die Flut, die langsam den Strand hochkroch. Früher oder später würde sie sich landeinwärts wenden müssen. Sie gelangte an eine Stelle, wo Teile der Klippe abgebröckelt waren, sodass sie leicht zu erklettern war. Oben angekommen, schlug ihr ein übelriechender Wind entgegen, der in den Augen brannte.
Von hier aus konnte sie hinunter zu einem ebenen, grauen Pfad blicken, der sich in beide Richtungen bis zum Himmelsrand erstreckte. Dahinter befand sich eine Gruppe von Höhlen, ähnlich wie die, die sie vor einigen Tagen gesehen hatte, auf plumpe Beine gestützt, mit geraden Wänden und spitzen Dächern.
Während sie noch die Gegend betrachtete, ertönte aus der Ferne ein Brüllen und kurz darauf kam ein lautes, stinkendes Wesen über den Pfad galoppiert. Mit ohrenbetäubendem Krach schoss es an ihr vorbei und stieß dabei rauchige Luft aus. Kallik musste furchtbar husten. Sie versuchte zu atmen, obwohl sie den schrecklichen Geruch noch in der Nase hatte. Ihre Mutter hatte ihr erzählt, dass die einzigen Wesen, die größer waren als Eisbären, »Feuerbiester« genannt wurden. Zwar hatte Nisa versichert, dass sie keine Bären fraßen, doch Kallik fragte sich schaudernd, ob das auch wirklich stimmte.
Vor einer der Höhlen gab es eine mit Gras bewachsene Fläche und dort erblickte sie drei andersartige Wesen, die miteinander spielten. Sie liefen auf zwei Beinen und hatten ein Regenbogenfell in vielen Farben, wie manche Vögel. Nach Kalliks Einschätzung waren sie zu klein, um ihr gefährlich zu werden, aber auch zu groß, um als Beute zu taugen. Sie fragte sich, ob sie eher den Bären oder eher den Vögeln glichen, und
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