Seekers - Feuer im Himmel - Band 5
Wale glauben, dass wir bald gar nichts mehr zu fressen haben. Die Landgänger haben das Wasser krank gemacht.«
»Nein!« In Ujurak stieg Panik auf. »Wir müssen doch etwas dagegen tun können!« Er, Ujurak, musste diese Landgänger aufhalten, wer immer sie waren. Sie hatten seine Freunde, seine ganze Art in Gefahr gebracht! Er musste die Wale, das Wasser und alles, was darin lebte, retten.
Aber wie? Es musste doch eine Möglichkeit geben. Als er zum ersten Mal ins Wasser getaucht war – wann immer das gewesen sein mochte –, hatte er gewusst, was zu tun war. Wie viele Winter war er schon hier? Er zermarterte sich das Gehirn. Jemand hatte ihm geholfen, oder nicht? Er hatte das deutliche Gefühl, dass er nicht allein war, aber das konnte doch nicht sein! Als Ugra ihn fand, waren keine anderen Belugas bei ihm gewesen. Und selbst wenn er irgendwo Freunde hatte, was konnten sie schon gegen die vielen Flachgesichter und Feuerbiester und Giftbiester und gesteinfressenden Ungeheuer ausrichten?
Kassuk sah ihn ratlos an. »Was meinst du mit ›tun‹?«
»Wir haben keinen Einfluss auf das Schicksal«, warf ein anderer Wal ein. »Die Krankheit ist wie die Meeresströmungen. Sie ist einfach da. Wir Wale werden lernen müssen, damit zu leben.«
»Oder zu sterben«, bemerkte ein alter Wal düster.
Aber ich bin kein Wal, schoss es Ujurak plötzlich durch den Kopf. Die Erkenntnis fuhr ihm wie ein Beben durch den ganzen Körper. Er war kein Wal! Er kam nicht von einer Gruppe anderer Wale, die weit weg war. Er hatte eigentlich einen Pelz und Krallen … Ich bin ein BÄR!
Die Wale konnten vielleicht nichts ausrichten, aber die Bären schon.
Unter seiner Haut kribbelte es, als wollte jeden Moment sein Fell durchbrechen. Er musste zurück zu seinen Freunden. Seinen Freunden. Blitzartig tauchten Toklo, Lusa und Kallik vor seinem inneren Auge auf. Er hatte sie wieder vergessen!
»Entschuldigung, ich muss weiter«, stieß Ujurak hastig hervor, während er sich schon von Kassuk abwendete. »Da wartet jemand auf mich. Es tut mir leid.« Der alte Wal schien überrascht zu sein, nickte aber. Ujurak tauchte ab und nahm mit einem kräftigen Schlag seiner Schwanzflosse Tempo auf.
Als das dunkle Wasser ihn umschloss, dachte er an nichts anderes als an Bären. Ich darf sie nicht wieder vergessen. Ich muss zu ihnen zurück, solange ich noch weiß, dass ich ein Bär bin. Er wünschte, er könnte schneller schwimmen. Wie lange war er schon weg? Er durfte nicht dauernd die Gestalt wechseln. Eines Tages würde er sich noch völlig verlieren und im Körper eines anderen Tieres eingesperrt bleiben.
Ich bin ein Bär! , brüllte er innerlich. Ich werde es nicht vergessen … ich werde es nicht vergessen … ich werde es nicht vergessen.
8. KAPITEL
Lusa
»Wach auf!«
Lusa vergrub grummelnd den Kopf unter den Tatzen.
»Lusa! Wach auf! Komm schon!« Toklo stieß sie noch einmal an. Durch die halb geöffneten Augen sah die kleine Schwarzbärin Licht durch die Wände der Schneehöhle dringen. Sie musste die ganze Nacht geschlafen haben, aber es kam ihr nicht so vor. Sie war immer noch todmüde.
»Lusa, bitte!«, rief Toklo. »Ich versuche schon seit Ewigkeiten, dich aufzuwecken. Ujurak ist wieder da!«
»Oh.« Lusa mühte sich redlich, endlich die Augen zu öffnen. Als sie sich aufsetzte, kippte sie fast wieder um. Ihre Tatzen fühlten sich an wie klobige Klumpen. »Geht es ihm gut?«
In diesem Moment kam Ujurak in die Höhle, gefolgt von Kallik, die ihn von hinten schubste. Sein Fell war klatschnass, er zitterte und seine Augen waren merkwürdig leer. Sein Blick schien gar nicht auf seine Freunde gerichtet zu sein, sondern tief in sein Innerstes.
Kallik und Toklo legten sich links und rechts von ihm hin, sodass er sich in der Höhlenmitte neben Lusa kuscheln konnte. Die Freunde wärmten den Zurückgekehrten. Lusa war dankbar, dass sie sich wieder hinlegen durfte. Nicht einmal Ujuraks kalte, nasse Flanke, die sich an sie schmiegte, störte sie.
»Wo warst du?«, fragte Kallik. »Du warst so lange weg!«
Ujurak starrte seine Tatzen an. »Ich war bei anderen Walen. Ich meine … nicht wie ich. Keine Bären.« Er klang fast so müde, wie Lusa sich fühlte.
»Hast du da unten Robben gesehen?«, wollte Toklo wissen. »Gibt es in der Nähe Atemlöcher?«
»Wie war es unter dem Eis?«, hakte Kallik neugierig nach. »Hattest du Angst? Du hast keine Orcas gesehen, oder?«
»Hat es dir als Wal gefallen?« Lusa musste schon wieder
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