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Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Titel: Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Zimmermann
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weil keinerlei Reaktion kommt.
    »Hübsch, hübsch«, murmelt er nur, den Blick stur auf den Bürgersteig geheftet.
    Ich spüre, wie mein Vorsatz, aus diesem Tag einen wunderschönen Tag für uns zu machen, gewaltig ins Wanken gerät. Ein bisschen mehr Begeisterung könnte Rudolf ruhig zeigen. Schließlich habe ich mir in der Dahlmannstraße in Berlin, in der er vor Jahren gewohnt hat, auch jeden Stein angeschaut und pausenlos geschwärmt, wie wahnsinnig toll diese Gegend sei.
    »Ja, wirklich sehr hübsch hier«, beteuert Rudolf, was in diesem Moment aber nicht sehr passend ist, denn wir gehen gerade an einem Schnellimbiss vorbei und es riecht nach Zwiebeln und altem Fett. »Sehr hübsch.«
    Mit Mühe schaffe ich es, mir meine optimistische Grundstimmung zu bewahren. Rein theoretisch könnte ich nämlich jetzt im Garten liegen und endlich alle Zeitschriften lesen, die ich eigentlich für unsere Zugfahrt gekauft hatte. Ich könnte aber auch mit Yasemin telefonieren oder einfach in den stahlblauen Himmel starren und müßigen Gedanken nachhängen. Stattdessen zerre ich meinen Herzallerliebsten wie einen widerspenstigen Esel neben mir her, der keinen, aber auch wirklich keinen einzigen Blick für die Schönheiten dieses Altstadtpanoramas hat. Und außerdem meldet sich mal wieder meine Blase.
    »Ich brauche jetzt sofort einen Kaffee«, sage ich. »Ist das Café dort drüben für den Herrn in Ordnung?«
    »Ich will endlich wissen, was mit dir los ist!«, sage ich entschlossen, nachdem Rudolf mich minutenlang mit entrücktem Gesichtsausdruck angestarrt hat. Nicht einmal an der Sahnetorte, die ich gerade eben mit Hochgenuss verzehrt habe, hat er Interesse gezeigt. Was mehr als erstaunlich ist, weil er sich normalerweise sofort auf alles stürzt, was irgendwie süß, fett und kalorienreich aussieht. »Hast du gehört?«, bohre ich nach. Dabei setze ich meine Kaffeetasse so hart auf, dass sogar das verliebte Pärchen am Nebentisch herüberschaut.
    »Was ist jetzt?« Am liebsten würde ich ihm das direkt ins Ohr brüllen, aber weil ich weiß, wie Männer ticken, klingt meine Stimme betont sanft und unendlich verständnisvoll. Was schließlich auch Wirkung zeigt. Rudolf schaut mich an, mit diesem waidwunden Blick, der sofort mein Krankenschwesterherz mobilisiert. Fast bin ich schon so weit zu fragen: Wo haben wir denn heute wieder das böse, böse Auaweh?, da macht mein Herzallerliebster endlich den Mund auf.
    »Ich muss dir was gestehen«, murmelt er.
    Moni?, schießt es mir natürlich sofort durch den Kopf. Aber weil ich eine starke Frau bin und die Wahrheit vertrage (wenn auch schlecht!), nicke ich nur. »Dann leg mal los«, sage ich betont munter.
    »Nun ja, ich weiß wirklich nicht, wie ich es sagen soll.«
    Diese Art, Geständnisse zu beginnen, liebe ich ganz besonders. Erinnerungen tauchen auf, an Georg, der nach dieser eher opulenten Einleitung mit drei dürren Sätzen (
Hab da jemand kennengelernt. Tut mir echt leid. War aber schön mit dir
.) unsere Beziehung beendete. Allerdings handelte es sich bei Georg auch um einen eher introvertierten IT-Spezialisten mit hoher Stirn, aber wahnsinnig schönen Händen. Yasemin fand zwar, dass er eine fast unlösbare kommunikative Herausforderung für jede Frau darstellte, aber immerhin war mein Computer während unserer Beziehung völlig virenfrei und funktionierte tadellos.
    Doch Rudolf ist nicht Georg – mehr als drei Sätze wird er doch wohl noch zustande bringen –, und so lächle ich ihm weiter aufmunternd zu. Zumindest versuche ich es, auch wenn der Erfolg noch auf sich warten lässt. »Also du weißt nicht, wie du es sagen sollst«, helfe ich schließlich weiter. Rudolf hat inzwischen drei Zuckerstücke zerbröselt und verteilt sie auf der weinroten Tischdecke. Ich unterdrücke einen Seufzer. Draußen scheint die Sonne und ich sitze hier drinnen und ...
    »Vielleicht sollte man besser gar nicht darüber reden«, meint Rudolf da ganz plötzlich und grinst schief. »Manches nimmt man besser mit ins Grab.«
    »Ins Grab?«, frage ich irritiert nach. »Wie kommst du denn plötzlich auf so was?«
    Er ist inzwischen beim vierten und letzten Zuckerstück angelangt und hält inne. »Weißt du, es ist alles schon so lange her«, sagt er und grinst immer noch. »Ich war höchstens vierundzwanzig ...«
    Ich atme auf. Schließlich gehöre ich nicht zu den Frauen, die jede Affäre ihres Herzallerliebsten in grauer Vorzeit zu einem Drama machen. Allerdings, so stellt sich dann heraus,

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