Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
leider ein, dass ich die Karte ja auch auf der Straße verloren haben könnte. Keine Chance, sie dort zu finden, sage ich mir, da muss eine andere Lösung her.
Ich brauche sofort jemanden, der sich auskennt, einen netten Parkwächter zum Beispiel. Also haste ich wieder durchs Parkhaus. Am Ausgang informiert mich allerdings ein handgeschriebener Zettel an der Kasse darüber, dass dieser Betrieb vorübergehend ein personalloser ist. Im Notfall, so lese ich weiter, könne ich aber gern über die Ruftaste Kontakt mit der Aufsicht aufnehmen oder die angegebene Handynummer wählen.
Das klingt schon mal nicht schlecht, denn es handelt sich hier eindeutig um einen Notfall. Aber leider scheint die Aufsicht – aus welchen Gründen auch immer – ebenfalls personallos zu sein. Tatsache ist jedenfalls, dass sich niemand meldet, egal, wie oft und mit welcher Wucht ich die Ruftaste auch drücke. Wütend versuche ich es nun mit der Handynummer. Aber vielleicht bin ich an diesem wunderschönen Sommernachmittag nicht die Einzige, die hilflos in einem Parkhaus steht, denn außer einem Besetztzeichen tut sich gar nichts. Als Retterin in der Not erweist sich eine junge Frau, die nur abwinkt, als ich ihr mein Problem schildern will.
»Ha, des kenn i. Normalerweis isch do immr scho an Ma do, aber heit grad it. I denk amol, da müsset Se in Gott’s Name halt Strof zahle, abr des stoht do au irgendwo«, belehrt sie mich. »Zehn Euro, wenn i mi it ganz arg täusche tät. Und die Parkgebühra au no. Aber dann kriegat Sie so an kloina Wisch, mit dem kennet Sie beschtimmt nausfahre.«
Mit dieser Aussicht renne ich doch gern wieder zurück zum Auto. Inzwischen ist mir das Parkhaus ja schon fast zur zweiten Heimat geworden, und deshalb ärgere ich mich auch gar nicht, als ich feststelle, dass ich dank
Chez Maurice
kein Bargeld mehr habe. Also wieder zurück zum Ausgang. Ich hoffe bloß, dass Rudolf immer noch draußen wartet. Aber dieses Mal lasse ich es etwas gemütlicher angehen, denn inzwischen schmerzen meine Füße gewaltig. Vermutlich war es keine so gute Idee, diese eindeutig zu engen Pumps zu kaufen, auch wenn sie grandios heruntergesetzt waren, todschick sind und dazu noch einen unheimlich kleinen Fuß machen. Auf den letzten Metern zum Ausgang humple ich bereits heftig.
Rudolf hat inzwischen die Bank gewechselt (vermutlich, weil dort Schatten ist), er wendet mir den Rücken zu, und ich will ihn schon rufen, da sehe ich, dass er das Handy am Ohr hat. Ansatzlos sind alle zärtlichen Gefühle, die ich trotz allem bis eben gerade noch hatte, so was von verschwunden. Ich ziehe meine Schuhe aus – herrlich! – und schleiche mich an. »... eine halbe Stunde«, höre ich ihn sagen. »Ich vergehe hier fast vor ...«
Eigentlich hätte ich gern noch länger zugehört, weswegen mein Herzallerliebster gerade vergeht und was es mit der halben Stunde auf sich hat, aber das habe ich leider vermasselt: durch heftigstes Niesen. Rudolf dreht sich um, springt auf, reißt mich in seine Arme. »Da bist du ja wieder!«
»Was hast du denn erwartet?«, erwidere ich kühl. »Kannst du mir mal Geld geben? Ohne komm ich nämlich nicht aus dem Parkhaus raus.«
Die Sache mit der Parkkarte muss ich ihm nicht unbedingt auf die Nase binden, denn ich weiß, das wäre Stoff für eine nette kleine Anekdote, die man lieben Freunden beim gepflegten Abendessen erzählt:
Wisst ihr übrigens, was meiner lieben Doreen neulich im Parkhaus in Ravensburg passiert ist?«
... Das muss nicht sein, denke ich. Irritierend finde ich aber, dass Rudolf mich gar nicht mehr loslassen will. »Alles in Ordnung?«, frage ich misstrauisch.
Er streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht. »Das frage ich dich, Doreen. Kannst du dir vielleicht vorstellen, dass ich mir Sorgen gemacht habe? Du verschwindest im Parkhaus, ich warte und warte, zehn Minuten, zwanzig Minuten ...«
Er hat sich in Rage geredet, und ich fahre ihm erst einmal beruhigend über die Stirn und dann über die Schläfen und hoffe, dass ich dabei die richtigen Akupressurpunkte erwische.
»Jedenfalls habe ich gerade eben die Polizei angerufen. Irgendwas musste ich ja tun.«
»Die Polizei?«, rufe ich entsetzt. »Sag, dass das nicht wahr ist!«
Er nickt. »Doch. Ich sage aber auch sofort Bescheid, dass du wieder lebendig aufgetaucht bist, mein Liebling.«
»Vielleicht sollten wir nochmals die 110 anrufen und eine Suchmeldung wegen Wolfgang und Renate aufgeben«, ulkt Rudolf.
Wir fahren zurück nach Aulendorf –
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