Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
Uli so wahnsinnig viel Ahnung von Autos hat ... als Architekt.«
Erst als er mich überrascht anschaut, wird mir klar, was mir da eben rausgerutscht ist, und ich habe jede Menge Mühe, nicht rot anzulaufen.
Glücklicherweise bekommt Rudolf davon überhaupt nichts mit; sein Handy hat soeben geklingelt, er ruft: »Entschuldigt mich kurz!«, und spurtet die Treppe hoch.
»Woher weißt du überhaupt, dass ich Architekt bin? Hast du mich gegoogelt?«, fragt Uli unvermittelt.
Ich spüre, wie mir jetzt doch die Hitze ins Gesicht steigt. »Das Klima hier bekommt mir nicht«, behaupte ich und fächle mir Luft zu. »Ich fühl mich uralt.« Ich merke selbst, welchen Schwachsinn ich da rede, aber im Moment bin ich der Situation einfach nicht gewachsen. Vielleicht liegt es ja doch am Wetter.
»Was sind denn schon Jahre«, erwidert Uli und sieht mich zärtlich an. Er zögert, dann fügt er ernst hinzu: »Dorle, damit du es endlich weißt: Für mich bist und bleibst du die wunderbarste Frau der Welt.«
Der Satz klingt in meinen Ohren nach, mir ist plötzlich schwindlig, und ich muss mich an der Wand festhalten. Erst als Rudolf die Treppe herunterpoltert, kann ich mich aus der Erstarrung lösen; ich schaffe es sogar, ihm entgegenzurufen: »Was ist?«
Er streckt mir sein Handy entgegen, meint: »Da, telefonier selbst mit der Werkstatt. Mir glaubst du ja nicht.«
So bleibt mir nichts anderes übrig, als mit Herrn Huber zu sprechen, der sich als »Kfz-Meister aller Klassen, ha ha ha, war bloß a kloins Scherzle, gell« vorstellt und mich darüber informiert, dass es das Auto ja Gott sei Dank noch rechtzeitig in seine Werkstatt geschafft habe.
»Das Auto ist bei Ihnen?«, rufe ich irritiert aus, was allerdings in einem telefonischen Schnellkurs in Sachen Motor völlig untergeht.
Seine Bemühungen könnte Herr Huber sich aber sparen, weil ich von Autos sowieso keine Ahnung habe (müssen fahren und in eine Parklücke passen, das reicht vollauf) und außerdem mit meinen Gedanken ganz woanders bin. Immer noch geistert dieser eine Satz durch meinen Kopf:
Für mich bist und bleibst du die wunderbarste Frau der Welt
...
Nur mit viel Mühe und der entsprechenden Übung aus Helens Kurs (»Wir schieben jetzt alle störenden Gedanken beiseite ...«) schaffe ich es, wieder so einigermaßen klar zu denken. Was allerdings durch Herrn Huber erschwert wird, der immer noch schwätzt und schwätzt. Rudolf und Uli haben sich inzwischen nach draußen verzogen, ich höre die beiden vor der Tür laut lachen. Und als ich es endlich geschafft habe, Herrn Huber zum Schweigen zu bringen (ich habe einfach grußlos aufgelegt), ist Uli bereits gegangen.
Ich atme durch und nehme mir vor, einfach nicht mehr an ihn zu denken. Zumindest die nächsten vierundzwanzig Stunden nicht, ein realistisches Ziel, wie ich finde, und in Berlin sehe ich dann weiter. Denn laut Herrn Huber – und er ist schließlich der Fachmann – wird unser Auto leider erst wieder morgen fit sein.
Aber nun muss ich mich erst einmal um Rudolf kümmern, der breitbeinig am Gartenzaun steht und sich angeregt mit Frau Stützle unterhält. Wobei ich kaum glaube, dass die beiden übers Wetter reden. Eher übers Eingemachte. Unsere Nachbarin nimmt es nämlich, was Verhörtechnik angeht, locker mit Rudolf auf. Vermutlich erfährt sie gerade, wie wir uns kennengelernt haben, dass ich Fesselspiele im Bett blöd finde und im
Borchardts
schon mal versehentlich die Herrentoilette benutzt und mich dort mit einem bekannten Oppositionspolitiker (sehr smart, aber leider einen halben Kopf kleiner als ich) blendend unterhalten habe. Behauptet jedenfalls Rudolf, der mich anschließend in die Damentoilette verfrachtet hat.
Es ist also dringend notwendig, Rudolfs Gesprächsfluss sofort zu stoppen, aber da klingelt sein Handy, das ich immer noch in der Hand halte, und diese Gelegenheit kann ich mir nicht entgehen lassen. Leider ist es doch nicht Moni, wie ich gehofft habe, sondern nochmals der freundliche Herr Huber.
»Mir sind grad vorhin unterbroche worde«, sagt er. »I muss Ihne etzt abr no was erzähla. Mir hend neulich ersch en Motor daghet, der isch so was von ...«
»Moment«, rufe ich, »ich hole meinen Mann! Der interessiert sich bestimmt brennend dafür!«
Vor kurzem noch war ich mir sicher, alles über Rudolf zu wissen: dass er nur auf der linken Seite einschlafen kann, Eier ausschließlich hartgekocht isst, dass er in den siebziger Jahren drei Wochen lang in einer schlagenden
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