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Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Titel: Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Zimmermann
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wir beide.
    »Versteh mich recht. Ich musste einfach darüber reden, Dorle«, sagt Uli schließlich. »Die viel wichtigere Frage ist aber doch: Wie geht es mit uns beiden weiter?«
    Ich muss keine Sekunde lang überlegen. »Wie wär’s damit: Wir schauen einfach nach vorn. Vielleicht gibt es für uns ja doch eine gemeinsame Zukunft. Oder fällt dir noch was Besseres ein?«
    Statt einer Antwort zieht Uli mich an sich, und als wir uns küssen, vergessen wir alles um uns herum.
    »I müsst des junge Glück jetzt amol störe«, höre ich irgendwann die Bedienung rufen. »Uli, du sottesch nausgange ond dei Auto a bitzle auf d’ Seit stelle, dr Bus kommt it vorbei.« Sie grinst. »Wenn’s au no so schee war. I ster eich au wirklich ogern, abr es muss sei.«
    Uli lächelt mich an. »Ich stell mein Auto schnell weg. Aber dieses Mal wartest du auf mich, versprochen?«
    »Ja. Ich warte auf dich.«
    Als er gegangen ist, schaue ich mich um. Das Café hat sich inzwischen geleert. Der Bus mit dem Kegelverein rangiert draußen herum, umgeben von diesen hilfsbereiten Männern, die jeden vernünftigen Autofahrer in den Wahnsinn treiben können. »Weiter nach rechts, weiter nach rechts, so wird des doch im Läba nix meh, ha, was macht der Kerle etz au für an Soich.«
    Die Bedienung wischt den Tresen ab und verdreht die Augen: »Männer, i sag’s ja.«
    Prinzipiell würde ich ihr zustimmen, aber jetzt lächle ich nur. Mein Leben ist plötzlich wieder lebenswert. Ich liebe, und ich werde geliebt!, denke ich mit Herzklopfen, ein Wunder, und das passiert mir. Ich kann es einfach noch gar nicht fassen.
    Das zweite Wunder ist, dass auch der Busfahrer vor dem Café es endlich geschafft hat. Ich nehme an, dass der Kegelverein im Bus heftig applaudiert, zumindest macht das der junge Mann, der gerade hereingekommen ist, sich neben mich setzt und ein Bier bestellt.
    Aber die Verkehrssituation in der Hauptstraße habe sich dadurch noch nicht entspannt, erklärt er mir. »Da vorn isch a Bauschtell. Koi Mensch verschtoat, warum di etzt scho wiedr d’ Straß aufreiße müsset. Des hend se doch erscht letschte Monat gmacht. Da isch koi Durchkomme da vorna und dr Stadtbus steckt au fescht. Soll i Ihne mol was sage ...«
    Vermutlich werde ich noch länger auf Uli warten müssen, denke ich, während neben mir die Bauplanung der Gemeinde in den letzten Jahren auseinandergenommen wird, mit niederschmetterndem Resultat, wenn ich das richtig verstehe.
    Ein Handy klingelt. Fast automatisch greife ich in meine Handtasche, nehme ab, halte es an mein Ohr und brauche einen Moment, bis ich meinen Irrtum bemerke. Ulis Handy auf dem Tresen verstummt, und ich schüttle leicht den Kopf, als ich mein Telefon wieder wegpacke. Meine lange Leitung ist vermutlich immer noch die Nachwirkung unseres Kusses. Vielleicht aber auch nicht, denn der Typ neben mir hatte ebenfalls zu seinem Handy gegriffen. Mit verlegenem Grinsen murmelt er: »Des liegt bloß an denne blede Klingeltön.«
    »Huuhuu!« Ich drehe den Kopf. Eine junge Frau im weißen Kittel steht winkend in der Tür und ruft mir zu: »Sie waret doch vorhin bei uns in der Apothek! Ihr Medikament isch da, i wollt’s Ihne bloß ausrichte.«
    »Medikament? Ach so, natürlich, ja. Aber ich brauche es nicht mehr. Eine Spontanheilung, fast so was wie in Lourdes. Haben Sie so etwas schon mal erlebt?«, füge ich hinzu, weil sie mittlerweile völlig ratlos schaut. Erst das erneute Klingeln von Ulis Handy beendet unsere etwas einseitige Unterhaltung.
    Die nächsten zehn Minuten verbringe ich damit, die Anrufe zu zählen. Vierzehn! Im Schnitt klingelt es also ungefähr jede Dreiviertelminute vor mir auf dem Tresen. Meine anfängliche Überlegung, es könnte sich um einen ungeduldigen Geschäftspartner handeln, verwerfe ich. So penetrant war nicht einmal ich, als ich im Callcenter gearbeitet habe, und ich war
sehr
penetrant (»Sind Sie sicher, dass Sie alles haben, was Ihr kleiner süßer Wauwau zum Überleben braucht?). Nein, hier will niemand Hundedecken verkaufen, hier will auch niemand Uli einen Großauftrag erteilen (»Planen Sie doch bitte schon mal Aulendorf 21«), hier klingelt es sicherlich aus ganz anderen Gründen. Und das jetzt bereits zum fünfzehnten Mal!
    Plötzlich weiß ich warum! Uli hat im Auto bestimmt ein zweites Handy liegen (heutzutage ja nichts Besonderes mehr, Rudolf verfügt über vier Stück, passend zur Garderobe) und ruft mich gerade an. Natürlich, so muss es sein, er vergeht vor Sehnsucht

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