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Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Titel: Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Zimmermann
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Domizil
. Und diese Kuh fühlt sich gleich so was von geschmeichelt und war irre begeistert von der Idee!« Yasemin lacht schallend und imitiert mit schriller Stimme Corinna Haverkamp: »
Wir bauen ja unsere Maisonette um. Das Kinderzimmer ist spätestens in vier Wochen fertig, und das Spielzimmer hoffentlich auch. Wir schwanken noch etwas zwischen einer Prinzessin-Lillifee-Tapete und der mit den niedlichen rosa Bärchen, und aus dem Wintergarten machen wir
… Ich habe dann einfach aufgelegt. Sag mal, hilft dir die Info weiter? Komm, gib zu, ihr habt auf die Wohnung spekuliert.«
    »Ich habe Charlottenburg immer gehasst«, schluchze ich ins Telefon. »Und Wintergarten ist so was von scheiße!«
    »Um Himmels willen, Doreen, was …«
    Ich schluchze laut auf.
    »Du weißt, du kannst mich jederzeit anrufen.«
    »Weiß ich«, schniefe ich und lege auf.
    Wenigstens muss ich jetzt keine Holzböden bohnern.
    Auf der Damentoilette heule ich eine Weile lang Rudolf und der Wohnung nach, aber nicht allzu heftig. Zumindest nehme ich mir das vor. Denn erstens kriege ich die Familienpackung Papiertaschentücher nicht auf, und zweitens ist mir Yasemins Warnung vor verschmierter Wimperntusche eingefallen. Doch dann stelle ich mir leider mein zukünftiges Leben in Berlin ohne Rudolf vor: einsame Abende vor dem Fernseher, irgendwann vielleicht sogar Tanzcafé am Sonntagnachmittag (
Ball der einsamen Herzen
) mit anregenden Gesprächen über dritte Zähne und Hüftgelenke, und sofort fließen die Tränen wieder. Der nächste Versuch, an eines der Taschentücher zu kommen, scheitert ebenfalls, und so entscheide mich für die einfache Lösung: Toilettenpapier. Zwar muss dafür die letzte Rolle herhalten, aber es wirkt. Ich putze mir ausgiebig die Nase und – was das Allerbeste ist: Mit kaltem Wasser getränkt, ergibt das Klopapier eine tolle Augenkompresse. Nach einer Weile sehe ich wieder ganz passabel aus, na ja, soweit das in meinem Zustand überhaupt noch möglich ist.
    Den besten Effekt, was mein Aussehen angeht, erziele ich aber damit, dass ich mir nun perfide Rachepläne ausdenke. Meine Gesichtsfarbe wird rosig, meine Augen glänzen, als ich mir vorstelle, wo ich überall anrufen werde: beim Bauamt (Rudolf hat ohne Genehmigung Fenster in der Galerie einbauen lassen), beim Finanzamt (seine Steuererklärung stimmt hinten und vorne nicht) … Wenn ich gründlich nachdenke, fallen mir bestimmt noch diverse Behörden ein, denen ich jede Menge Arbeit verschaffen kann.
    Ich toupiere ein bisschen an meinem Haar herum, und als ich schließlich geschätzte fünf Prozent mehr Volumen auf dem Kopf habe, verlasse ich meinen Zufluchtsort. Was dringend nötig ist, denn das Klopfen an der Tür geht mir langsam auf die Nerven. »Ich kann auch nicht hexen!«, sage ich zu der älteren Frau im grauen Lodenjanker, die an mir vorbei in die Toilette stürmt.
    »Klopapier ist alle!«, rufe ich ihr noch nach, aber da hat sie bereits die Tür hinter sich zugeschlagen. Na bitte, dann nicht, ich hab’s ja nur gut gemeint.
    Das Café hat sich inzwischen gefüllt, was vermutlich an dem Bus liegt (
Die fidelen Kegelspatzen on Tour
), der geparkt die halbe Straße blockiert. Ich steure meinen Platz am Fenster an. Der ist inzwischen allerdings besetzt, von einem Ehepaar aus dem Hessischen, wie man deutlich hört, und mein Einwurf, dass ich hier gesessen sei, zieht nicht. Die Argumente fliegen hin und her, und die Leute im Café haben ihre Unterhaltung. Nun ist es nicht so, dass ich darauf brenne, unbedingt hier zu sitzen, aber mittlerweile geht es mir ums Prinzip. Noch einmal lasse ich mich nicht verdrängen. Das gilt auch hier im Café!
    »I hett gwettet, Sie seiet abghaue«, stellt die Bedienung verblüfft fest. »Sie hend ja koi Ahnung, was mir alles an Zechprellerei erlebet. Und wenn die Leit des greschte Auto vor der Tür standa hend, des sagt gar nix. Wo waret Sie etzt au die ganz Zeit?«
    Die Antwort auf diese Frage schenke ich mir. Und weil ich den Anblick des Busses inzwischen auch nicht mehr so prickelnd finde und so langsam auch die Argumente ausgehen, verzichte ich großzügig auf meinen Fensterplatz und nicke, als die Bedienung meint, ich könne mich doch an den Tresen setzen, dort sei noch Platz, und den Kaffee müsse ich selbstverständlich nicht bezahlen. »Wellet Sie no oin?«, fragt sie, und wieder nicke ich. Immerhin ist er ja umsonst.
    Frieda hat also doch recht mit ihrem Misstrauen Rudolf gegenüber, denke ich, als ich in meinem Kaffee

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