Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
nach mir und ich ... Mein Gott, für wie blöd muss er mich halten, dass ich bisher nicht abgenommen habe. Was ich beim sechzehnten Anruf aber sofort mache.
»Na endlich«, höre ich Moni sagen. »I han scho denkt, des wird nix mehr.«
Reflexartig lege ich auf. Was dann passiert, läuft genauso ab wie damals, als mir klar wurde, dass ich gerade im Begriff war, mit dem Fonduegerät meine Wohnung abzufackeln: Ich handle wie aufgezogen. Ich schenke dem jungen Mann (inzwischen beim dritten Bier) ein Lächeln, unterbreche ihn aber sofort, als er wieder mit der verfehlten Bauplanung in der Hauptstraße beginnt.
»Sie kennen sich doch bestimmt mit diesem Handy aus«, sage ich, und schon greift er danach. Mit knapper Not hindere ich ihn daran, es sofort auseinanderzubauen. »Wenn Sie mir bitte nur mal die Anruferliste öffnen, aber nicht löschen.«
Er braucht dann doch etwas länger, bis er sich durch sämtliche Funktionen des Menüs bis zu
Anrufe in Abwesenheit
vorgearbeitet hat. Ein Anruf vom Bauamt, lese ich, okay, das ist deren gutes Recht. Dann folgt vierzehn Mal dieselbe Nummer. Monis Nummer, wie ich inzwischen weiß.
Ein bisschen sehr viel Aktivität von jemandem, den man nur flüchtig grüßt, denke ich wütend. Uli ist keinen Deut besser als Rudolf, als Michael, als ... Er lügt genauso das Blaue vom Himmel herunter, schwört, ich sei seine große Liebe, mit der gleichen Unverfrorenheit, mit der Rudolf von unserer Wohnung in Charlottenburg faselte. Und Michael von einer gemeinsamen Zukunft.
»Der Uli kommt beschtimmt glei, des ka ja it ewig daure«, sagt die Bedienung und wirft mir einen Blick zu. »Isch Ihne übel?«
»Kotzübel!«, rufe ich und stürme nach draußen. Ehrlich gesagt: Kotzübel ist noch sehr mild ausgedrückt.
Draußen, bei herrlichem Sonnenschein und strahlend blauem Himmel, schaffe ich es schließlich, mich wieder zu beruhigen, so einigermaßen wenigstens, nicht zuletzt dank meiner Atemübungen, die ich in den letzten Tagen sträflich vernachlässigt habe. Ich lasse den Atem fließen und gewinne der Situation schließlich sogar immer mehr erfreuliche Aspekte ab. Ein Singleleben kann bestimmt auch herrlich sein! Ab sofort weder Augenringe noch nächtliche Mordgelüste, weil mich der schnarchende Mann an meiner Seite zur Raserei bringt. Stattdessen wache ich in Zukunft jeden Morgen erholt und schön wie der junge Tag auf, trinke meinen Kaffee endlich so, wie nur ich ihn will (sehr schwarz und sehr stark), gehe bestimmt nie wieder in die Oper (mein Gott, was habe ich mich immer gelangweilt. Man versteht kein Wort von dem, was auf der Bühne passiert), sondern nur noch in herrlich gefühlige Liebesfilme im Kino, bei denen ich lachen und weinen und gleichzeitig Unmengen an Popcorn verdrücken kann.
Meine Perspektiven als Single sind also rosig und äußerst ausbaufähig und müssen jetzt nur noch gefeiert werden, denke ich, als ich den kleinen Supermarkt neben der Buchhandlung betrete. Fluchtartig, ehrlich gesagt, denn inzwischen läuft der Verkehr auf der Hauptstraße wieder, und ich möchte auf keinen Fall nochmals Uli begegnen.
Eine allerletzte Begegnung mit Rudolf steht mir allerdings noch bevor, für die ich auf alle Fälle einen klaren Kopf brauche. Und so entscheide ich mich dann auch nicht für den Champagner, den ich zur Feier meines Eintritts in mein entspanntes Singledasein bereits in der Hand halte, sondern greife zur Fünfhundert-Gramm-Packung exquisiter Pralinen, im Sonderangebot, wie ich begeistert feststelle.
Die Zeiten vergifteter Komplimente sind jetzt nämlich endgültig passé; nie wieder werde ich mir Bemerkungen anhören müssen wie:
Schatz, du siehst entzückend aus in diesem schwarzen Kleid, das macht doch gleich ein bisschen schlanker
. Diese Zeiten sind vorbei. Nieder mit der Diktatur der Waage und kleiner Kleidergrößen!, denke ich kämpferisch und entschließe mich gleich für einen Großeinkauf. Ich will schließlich Yasemin auch was mitbringen und außerdem: So günstig kriege ich diese Pralinen nie mehr!
An der Kasse nehme ich noch das
special offer
der Woche mit, eine Geschenkpackung original ungarischer Salami im Holzkästchen für sensationelle neununddreißig neunzig – eine Investition, die sich lohnt, denn nach Süßigkeiten brauche ich immer etwas Herzhaftes. Als ich mich wieder nach draußen traue, stelle ich erfreut fest, dass weit und breit kein Auto mehr zu sehen ist, also auch kein Uli – der ist bestimmt schon längst bei seiner Moni.
Ich
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