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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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Türen, von denen Matthew eine öffnete. Weil es dahinter kein elektrisches Licht gab, griff er zu einer Kerze, die er in einen Messinghalter drückte, bevor er sie anzündete.
    Der Raum wirkte so ordentlich und systematisch wie Matthew selbst, allerdings war alles von einer Staubschicht bedeckt. Eng bepackte Holzregale hielten den Wein über dem Boden und ermöglichten es gleichzeitig, eine einzelne Flasche herauszuziehen, ohne dass alles ins Rutschen kam. Neben dem Türstock sah ich rote Flecken, wo über zahllose Jahre hinweg immer wieder Wein ausgespuckt worden war. Der Duft von alten Trauben, Kork und leichtem Schimmel lag in der Luft.
    »Ist das deiner?« Ich traute meinen Augen nicht.
    »O ja. Ein paar von uns Fellows haben einen Privatkeller.«
    »Was kannst du hier drin nur lagern, was es da draußen nicht auch gäbe?«
    Matthew lächelte geheimnisvoll. »Alles Mögliche.«
    Er huschte durch den kleinen, fensterlosen Raum und zog fröhlich hier und da Flaschen heraus. Dann reichte er mir eine schwere, dunkle Flasche mit einem Goldschild als Etikett und einem Drahtgeflecht über dem Korken. Champagner – Dom Perignon.
    Die nächste Flasche war dunkelgrün und trug ein schlichtes cremefarbenes, Etikett mit schwarzer Schrift. Er präsentierte sie mir mit großer Geste, und mein Blick fiel auf das Datum: 1976.
    »Mein Geburtsjahr!«, sagte ich.
    Schließlich tauchte Matthew mit zwei weiteren Flaschen auf: Eine hatte ein längliches, achteckiges Etikett, auf dem ein Château abgebildet war, sowie einen mit rotem Wachs versiegelten Hals; die andere war leicht schief und schwarz, ohne jedes Etikett und mit etwas versiegelt, das wie Teer aussah. An ihrem Hals war mit einer schmutzigen Schnur ein alter, gelb-brauner Anhänger befestigt.

    »Sollen wir?«, fragte Matthew und blies die Kerze aus. Die beiden Flaschen in einer Hand balancierend, schloss er die Tür von außen ab und ließ den Schlüssel in die Tasche gleiten. Wir stiegen aus dem Weindunst wieder auf und erklommen die Treppe zum Erdgeschoss.
    Draußen im Zwielicht schien Matthew, den Arm voller Wein, vor Freude zu strahlen. »Was für ein wunderschöner Abend«, verkündete er glücklich.
    Wir gingen in sein Apartment, das in mancher Hinsicht wesentlich edler war, als ich es mir ausgemalt hatte, und in anderer Hinsicht längst nicht so edel. Die Räume waren kleiner als meine im New College und, da sie unter dem Dach des ältesten Gebäudes im All Souls lagen, verwinkelt und windschief. Die Decken waren zwar so hoch, dass Matthew aufrecht stehen konnte, trotzdem wirkten die Räume viel zu klein für ihn. Bei jeder Tür musste er sich bücken, und die Fensterbretter waren bei ihm knapp über Kniehöhe.
    Was den Räumen an Größe fehlte, machten sie mit ihrem Mobiliar wett. Ein verblichener Aubusson-Teppich bedeckte den Boden und wurde von einer Kollektion echter William-Morris-Möbel an seinem Platz verankert. Irgendwie fügten sich die Architektur aus dem fünfzehnten Jahrhundert, der Teppich aus dem achtzehnten Jahrhundert und die grob geschnitzte Eiche aus dem neunzehnten Jahrhundert zu einem harmonischen Ganzen und verliehen den Räumen die Atmosphäre eines vornehmen Clubs aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert.
    Am anderen Ende des Hauptraumes stand ein ausladender Speisetisch, an dessen einem Ende sich neben Zeitungen und Büchern der typische Treibsand des akademischen Lebens angesammelt hatte  – Verordnungen, außerdem Fachjournale, Bitten um ein Empfehlungsschreiben oder Anfragen für eine Kritik. Allerdings war alles säuberlich aufgestapelt und wurde jeweils von einem anderen Objekt niedergehalten. Als Briefbeschwerer verwendete Matthew unter anderem das typische Objekt aus schwerem, geblasenem Glas, aber auch einen alten Ziegelstein, eine Bronzemedaille  – zweifellos irgendein Preis, den er verliehen bekommen hatte  – und einen kleinen Schürhaken.
Am anderen Tischende war ein weiches Leintuch über das Holz gedeckt worden, und darauf standen die fantastischsten Silber-Kerzenleuchter im klassizistischen Stil, die ich je außerhalb eines Museums gesehen hatte. Ein Sortiment unterschiedlich geformter Weingläser stand Spalier vor den schlichten weißen Porzellantellern und dem ebenfalls klassizistischen Silberbesteck.
    »Ich bin begeistert.« Ich sah mich mit großen Augen um. Kein einziges Möbelstück, kein einziges Zierstück im Raum gehörte dem College. Alles war Matthew in Reinkultur.
    »Setz dich.« Er rettete die zwei

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