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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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zu.
    »Marcus«, warnte ihn Miriam.
    Matthew riss Marcus die Ausrüstung aus der Hand und brachte den jüngeren Vampir mit einem bohrenden, tödlichen Blick zum Stehen. »Es tut mir leid, Marcus. Aber wenn jemand Diana Blut abnimmt, dann ich.«
    Mein Handgelenk zwischen den kalten Fingern haltend, winkelte er meinen Arm mehrmals an, bevor er ihn ausstreckte und meine Hand auf der Edelstahlplatte ablegte. Sich von einem Vampir eine Nadel in den Arm stechen zu lassen, war ziemlich gruselig. Matthew band meinen Arm mit einem Gummiband ab.
    »Mach eine Faust«, befahl er ruhig, während er die Handschuhe überstreifte und die Hohlnadel sowie die erste Phiole bereitlegte.
    Ich ballte die Faust und beobachtete, wie die Adern hervortraten. Matthew verzichtete auf die übliche Ankündigung, dass es gleich wehtun oder pieken würde. Ohne weitere Umschweife beugte er sich vor und schob mir die Nadelspitze in den Arm.
    »Gut gemacht.« Ich löste meine Faust, damit das Blut besser abfloss.
    Matthews breiter Mund wurde auffallend schmal, als er die Phiolen wechselte. Als er damit fertig war, zog er die Nadel wieder ab und warf
sie in einen versiegelten Abfallbehälter. Marcus nahm die Phiolen und reichte sie an Miriam weiter, die sie mit winzigen, präzisen Buchstaben beschriftete. Matthew deckte den Einstich mit einem Stück Gaze ab und drückte mit kräftigen, kalten Fingern darauf. Mit der anderen Hand löste er einen Pflasterstreifen, den er anschließend über das Verbandsstück klebte.
    »Geburtsdatum?«, fragte Miriam sachlich, den Stift über dem Röhrchen mit meinem Blut erhoben.
    »Dreizehnter August 1976.«
    Miriam sah mich an. »Dreizehnter August?«
    »Ja. Warum?«
    »Ich wollte nur sichergehen«, murmelte sie.
    »Normalerweise nehmen wir zusätzlich eine Speichelprobe.« Matthew öffnete eine Packung und zog zwei Plastikspatel heraus, die wie winzige Paddel geformt und an den Enden leicht aufgeraut waren.
    Wortlos klappte ich den Mund auf, damit Matthew erst mit dem einen, dann mit dem anderen Spatel über die Innenseite meiner Wange streichen konnte. Die beiden Spatel wanderten in jeweils einen verschlossenen Plastikbehälter. »Schon erledigt.«
    Ich sah mich im Labor um, in der stillen, entspannten Atmosphäre der Edelstahlflächen unter dem blauen Licht, und musste an meine Alchemisten denken, die mit improvisierten Gerätschaften und rissigen Lehmtiegeln an einem Kohlefeuer hantiert hatten. Was hätten sie dafür gegeben, an einem Ort wie diesem arbeiten zu dürfen  – mit Instrumenten, die es ihnen vielleicht ermöglicht hätten, die Mysterien der Schöpfung zu erfassen.
    »Sucht ihr nach dem ersten Vampir?«, fragte ich und deutete dabei auf die Aktenschränke.
    »Manchmal«, bestätigte Matthew langsam. »Hauptsächlich versuchen wir nachzuvollziehen, wie sich Nahrungsangebot und Krankheiten auf die verschiedenen Spezies auswirken und wie und warum manche Sippen aussterben.«
    »Und stimmt es wirklich, dass es sich bei uns um vier verschiedene Spezies handelt, oder haben Dämonen, Menschen, Vampire und Hexen
gemeinsame Vorfahren?« Ich hatte mich immer gefragt, ob Sarahs eigensinnige Beschwörungen, dass Hexen kaum etwas mit Menschen oder anderen Wesen gemein hätten, nicht nur auf Überlieferung oder Wunschdenken beruhte. Zu Darwins Zeiten hatten es die meisten Menschen für unmöglich gehalten, dass sich aus einem einzigen Paar von menschlichen Urahnen so viele verschiedene Rassen entwickelt haben könnten. Manche Europäer hatten mit Blick auf die Schwarzafrikaner eher der Theorie einer Polygenese zugeneigt, wonach die unterschiedlichen Rassen von verschiedenen, nicht miteinander verwandten Urahnen abstammten.
    »Dämonen, Menschen, Vampire und Hexen unterscheiden sich auf genetischer Ebene beträchtlich.« Matthew sah mich bohrend an. Auch wenn er sich weigerte, meine Frage offen zu beantworten, wusste er genau, warum ich sie gestellt hatte.
    »Wenn ihr beweisen würdet, dass es sich dabei nicht um verschiedene Arten handelt, sondern um verschiedene Abstammungslinien innerhalb einer Art, würde das eine Menge ändern«, warnte ich ihn.
    »Früher oder später werden wir erschließen können, inwiefern  – und ob  – die vier Gruppen miteinander verwandt sind. Aber davon sind wir noch weit entfernt.« Er stand auf. »Ich glaube, das war genug Wissenschaft für einen Tag.«
    Nachdem wir uns von Miriam und Marcus verabschiedet hatten, brachte Matthew mich zum New College zurück. Er ging sich

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