Seelen der Nacht
werden uns genau so unterhalten. Ich will wissen, wie oft deine Finger schon blau geworden sind.«
»Nicht oft.« Der Trainer hatte mir damals geraten, mich zu entspannen, wenn ich von hinten gepackt würde, und dann aus dem Griff des Angreifers zu schlüpfen. Matthews Arme packten mich nur noch fester. »Manchmal habe ich als Kind versehentlich Sachen in Brand
gesteckt – zum Beispiel die Küchenschränke –, aber das vielleicht nur, weil ich damals die Hände unter dem Wasserhahn löschen wollte und das Feuer dadurch nur noch schlimmer wurde. Außerdem ein- oder zweimal die Vorhänge in meinem Zimmer. Einen Baum vor unserem Haus – aber der war noch klein.«
»Und seither?«
»Einmal letzte Woche, als Miriam mich wütend gemacht hat.«
»Wie hat sie das geschafft?« Er drückte seine Wange an meine. Es war ein beruhigendes Gefühl, solange ich darüber hinwegsah, dass er mich gegen meinen Willen festhielt.
»Sie meinte, ich sollte endlich lernen, auf mich selbst aufzupassen und mich nicht darauf verlassen, dass du mich beschützt. Eigentlich hat sie mir vorgeworfen, ich würde die Jungfer in Nöten spielen.« Schon bei dem Gedanken begann mein Blut zu köcheln, und meine Finger juckten sofort wieder.
»Du bist vieles, Diana, aber eindeutig keine Jungfer in Nöten. Also hast du diese Reaktion zweimal innerhalb einer Woche gezeigt.« Matthew klang nachdenklich. »Interessant.«
»Finde ich nicht.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte er, »trotzdem ist es interessant. Und jetzt zu einem anderen Thema.« Sein Mund wanderte an mein Ohr. »Was soll dieser Unfug, dass ich mich ausschließlich für ein altes Manuskript interessieren würde?«
Ich wurde rot. Das war so sterbenspeinlich. »Sarah und Em meinten, dass du nur so viel Zeit mit mir verbringst, weil du etwas von mir willst. Ich nehme an, du willst Ashmole 782 .«
»Aber das stimmt nicht, oder?« Seine Lippen und seine Wange strichen sanft über mein Haar. Sofort begann mein Blut zu singen. Selbst ich konnte es hören. Er lachte wieder, diesmal ausgesprochen zufrieden. »Ich habe keine Sekunde lang angenommen, dass du das geglaubt hast. Ich wollte nur sichergehen.«
Mein Körper sank gegen seinen. »Matthew …«, setzte ich an.
»Ich lasse dich jetzt los«, schnitt er mir das Wort ab. »Aber renn nicht gleich zur Tür, in Ordnung?«
Schon wieder waren wir Beute und Raubtier. Wenn ich losrannte, würde ich damit seinen Jagdinstinkt wecken. Ich nickte, er drehte mich zu sich um, und ich blieb eigenartig wacklig vor ihm stehen.
»Was soll ich nur mit dir anfangen?« Die Hände in die Hüften gestemmt und ein schiefes Lächeln im Gesicht, stand er vor mir. »Du bist das anstrengendste Wesen, das mir je begegnet ist.«
»Das hat sich noch niemand getraut.«
»Das glaube ich gern.« Er sah mich prüfend an. »Wir fahren nach Woodstock.«
»Nein! Im College bin ich völlig sicher.« Er hatte mich gewarnt, dass Vampire einen einengenden Beschützerinstinkt entwickeln konnten. Er hatte recht gehabt – mir gefiel das gar nicht.
»Bist du nicht.« In seinen Augen flackerte es zornig. »Jemand wollte in dein Apartment einbrechen.«
»Was?« Ich war fassungslos.
»Das lockere Schloss, hast du schon vergessen? Du bleibst in Woodstock, bis Peter Knox Oxford verlassen hat.«
Offenbar verriet mein Gesicht, wie wenig ich dieser Idee abgewinnen konnte.
»So schlimm wird das nicht werden«, meinte er nachsichtig. »Dafür kannst du so viel Yoga machen, wie du willst.«
Solange Matthew sich als mein Leibwächter betrachtete, blieb mir nichts anderes übrig. Und wenn er recht hatte – was ich insgeheim vermutete –, dann hatte es schon jemand an Fred vorbei und in meine Unterkunft geschafft.
»Komm.« Er nahm meine Computertasche. »Ich fahre dich zum New College und warte auf dich, bis du deine Sachen geholt hast. Aber unser Gespräch über die Verbindung zwischen Ashmole 782 und deinen blauen Fingern ist noch nicht zu Ende«, fuhr er fort und zwang mich dabei, ihm in die Augen zu sehen. »Es hat gerade erst angefangen.«
Wir gingen hinunter auf den Parkplatz für die Fellows, und Matthew rangierte den Jaguar zwischen einem bescheidenen blauen Vauxhall und einem alten Peugeot heraus. Dank der umständlichen Verkehrsführung
in der Stadt brauchten wir mit dem Auto doppelt so lange, wie wir zu Fuß gebraucht hätten.
Matthew bog in das Tor des College ein. »Ich bin gleich wieder da«, sagte ich, als er mich aussteigen ließ, und
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