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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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hier.«
    »Wollen Sie jetzt auch noch Hexen töten, Clairmont?« Knox feixte. »Genügt es Ihnen nicht mehr, Vampiren und Menschen Leid zuzufügen?«
    »Lassen Sie sie in Ruhe.« Matthews Stimme blieb gleichmütig, aber er hatte den ganzen Körper angespannt, um sofort zuschlagen zu können, falls Knox sich irgendwie auf mich zubewegte.
    Der Hexer verzog das Gesicht. »Das werde ich ganz bestimmt nicht. Sie gehört zu uns, nicht zu Ihnen. Genau wie das Manuskript.«
    »Matthew«, wiederholte ich drängend. Ein dreizehnjähriger Menschenjunge mit Nasenpiercing und sorgengeplagtem Gesicht studierte ihn neugierig. »Die Menschen schauen schon her.«
    Er fasste nach hinten und packte meine Hand. Die Berührung seiner kalten Haut auf meiner warmen Handfläche durchzuckte mich im selben Moment wie die Erkenntnis, dass ich damit an ihn angehängt war. Er zog mich nach vorn und barg mich unter seiner Schulter.
    Knox lachte höhnisch. »Sie werden mehr brauchen, um sie zu beschützen, Clairmont. Sie wird uns das Manuskript beschaffen. Dafür sorgen wir.«
    Ohne jedes weitere Wort bugsierte Matthew mich über den Hof und auf den breiten, mit Kopfstein gepflasterten Weg um die Radcliffe Camera. Er warf einen kurzen Blick auf das verschlossene Eisentor vor dem All Souls, fluchte kurz und innig und zerrte mich dann weiter in Richtung High Street.

    »Wir haben es gleich geschafft«, sagte er und fasste meine Hand fester.
    Matthew ließ mich auch im Eingangsbereich nicht los, wo er dem Pförtner kurz zunickte. Gemeinsam kletterten wir hoch in sein Turmverlies, wo es genauso warm und gemütlich war wie am Samstagabend.
    Matthew warf die Schlüssel auf das Sideboard und drückte mich ohne weitere Umschweife auf das Sofa. Dann verschwand er in die Küche und kam mit einem Glas Wasser zurück. Er reichte es mir, und ich hielt es ohne zu trinken fest, bis er mich so finster ansah, dass ich gehorsam das Glas an die Lippen setzte und mich beinahe verschluckt hätte.
    »Warum konnte ich das Manuskript beim zweiten Mal nicht mehr bekommen?« Ich war fassungslos, dass Knox recht behalten hatte.
    »Ich hätte meinem Instinkt vertrauen sollen.« Matthew stand am Fenster, ballte und lockerte abwechselnd die rechte Hand und schien mich völlig vergessen zu haben. »Wir wissen nicht, was der Bann mit dir zu tun hat. Seit du Ashmole 782 aufgeschlagen hast, schwebst du in großer Gefahr.«
    »Selbst wenn Knox mir droht, Matthew, wird er vor so vielen Zeugen kaum Dummheiten machen.«
    »Du bleibst besser ein paar Tage in Woodstock. Ich will, dass du dich von Knox fernhältst  – keine zufälligen Begegnungen im College mehr, kein Zusammentreffen in der Bodleian.«
    »Knox hatte recht: Ich kann das Manuskript kein zweites Mal abrufen. Er wird mich nicht mehr beachten.«
    »Das ist Wunschdenken, Diana. Knox ist genauso versessen darauf wie du und ich, die Geheimnisse in Ashmole 782 zu lüften.« Matthews sonst so makelloses Aussehen ließ zu wünschen übrig. Er war sich so oft mit den Fingern durchs Haar gefahren, dass es stellenweise abstand wie das Gefieder einer zerrauften Krähe.
    »Wie könnt ihr beide so sicher sein, dass der verborgene Text Geheimnisse enthält?«, rätselte ich und trat an den Kamin. »Es ist ein Alchemiebuch. Vielleicht ist das alles.«
    »In der Alchemie geht es darum, die Schöpfungsgeschichte chemisch
zu erklären, alle Geschöpfe sind reine Chemie, sie werden nur biologisch dargestellt.«
    »Aber als Ashmole 782 geschrieben wurde, wusste man nichts von Biologie und verstand unter Chemie etwas ganz anderes als heute.«
    Matthews Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen. »Diana Bishop, ich bin entsetzt, wie engstirnig du bist.« Er meinte das ernst. »Die Wesen, die dieses Manuskript verfasst haben, kannten die vielleicht noch nicht, aber woher willst du wissen, dass sie nicht dieselben Fragen nach der Schöpfung gestellt haben wie moderne Wissenschaftler?«
    »Alchemistische Texte sind allegorisch aufzufassen, nicht wie Handbücher.« Jetzt richtete ich die Angst und die Frustration der vergangenen Tage gegen ihn. »Vielleicht weisen sie auf tiefere Wahrheiten hin, aber man kann aus ihnen keine verlässlichen Experimente ableiten.«
    »Das habe ich auch nie behauptet.« In seinem Blick flackerte immer noch unterdrückter Zorn. »Aber wir sprechen hier von Hexen, Dämonen und Vampiren als möglichen Lesern. Ein wenig übernatürliche Lektüre, ein wenig übermenschliche Kreativität, ein paar lang verschüttete

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