Seelen der Nacht
mondgleiche Anziehungskraft seiner Augen war ich machtlos. »Was ist denn los?«
»Meine Eltern. Gillian hat mir erzählt, dass Hexen meine Eltern umgebracht haben«, antwortete ich gepresst und mit Piepsstimme.
Matthew sagte etwas in einer mir unbekannten Sprache. »Wann ist das passiert? Wo ist das passiert? Hat die Hexe eine Nachricht auf einem Anrufbeantworter hinterlassen? Hat sie dich bedroht?« Sein Griff wurde noch fester.
»Nigeria. Sie hat gesagt, die Bishops hätten schon immer Ärger gemacht.«
»Ich komme mit. Ich muss nur noch ein paar Anrufe machen.« Matthew atmete tief und bebend ein. »Es tut mir so leid, Diana.«
»Wohin kommst du mit?« Das ergab doch keinen Sinn.
»Nach Afrika.« Matthew klang verwirrt. »Jemand muss die Toten identifizieren.«
»Ich war sieben, als meine Eltern umgebracht wurden.«
Erschrocken riss er die Augen auf.
»Ich weiß, es ist lange her, trotzdem scheint es für die Hexen in letzter Zeit kein anderes Thema zu geben – für Gillian genauso wenig wie für Peter Knox.« Ich spürte, wie sich erneut die Panik in mir ausbreitete und ein Schrei in meiner Kehle aufstieg. Matthew presste mich an seine Brust, bevor sich der Schrei Luft machen konnte, und hielt mich so fest, dass sich die Umrisse seiner Muskeln und Knochen in mein
Fleisch zu drücken schienen. Mein Schrei endete als Schluchzen. »Gillian hat mich gewarnt, dass schreckliche Dinge passieren, wenn Hexen vor anderen Hexen Geheimnisse haben.«
»Ganz gleich, was sie gesagt hat, ich werde nicht zulassen, dass Knox oder eine andere Hexe dir etwas antut. Jetzt bist du bei mir.« Matthews Stimme war fest, und er senkte den Kopf, um seine Wange auf mein Haar zu legen, während ich weinte. »Ach, Diana. Warum hast du mir das nicht erzählt?«
Irgendwo im Zentrum meiner Seele begann sich eine rostige Kette abzuwickeln. Glied um Glied löste sie sich aus der Erstarrung, so als hätte sie nur auf Matthew gewartet. Gleichzeitig lösten sich auch meine Hände, die ich fest geballt gegen seine Brust gedrückt hatte. Die Kette rasselte abwärts in eine unergründliche Tiefe, in der es nur noch Dunkelheit und Matthew gab. Schließlich spannte sie sich in voller Länge und verankerte mich an einem Vampir. Trotz des Manuskriptes, trotz der Tatsache, dass meine Finger genug Spannung versprühten, um eine Mikrowelle zu betreiben, trotz des Fotos war ich sicher, solange ich mit ihm zusammen war.
Als das Schluchzen nachließ, löste sich Matthew von mir. »Ich hole dir Wasser, und dann wirst du dich ausruhen.« Sein Tonfall duldete keinen Widerspruch, und im nächsten Moment war er mit einem Glas und zwei kleinen Pillen zurück.
»Nimm die«, sagte er und reichte sie mir zusammen mit dem Wasser.
»Was ist das?«
»Ein Beruhigungsmittel.« Er sah mich so streng an, dass ich augenblicklich beide Pillen in den Mund steckte und einen Schluck Wasser nahm. »Die habe ich bei mir, seit du mir erzählt hast, dass du unter Panikattacken leidest.«
»Ich hasse es, Tranquilizer zu nehmen.«
»Du stehst unter Schock, und in deinen Adern zirkuliert zu viel Adrenalin. Du musst dich ausruhen.« Matthew stopfte die Decke um mich fest, bis ich in einem unförmigen Kokon steckte. Er setzte sich aufs Bett, dann plumpsten seine Schuhe auf den Boden, und im nächsten
Moment streckte er sich aus. Als er meinen deckenumhüllten Körper an sich zog, seufzte ich. Matthew legte den linken Arm um mich und hielt mich fest. Trotz des Kokons schmiegte sich mein Körper nahtlos an seinen.
Allmählich breitete sich die Droge in meinem Körper aus. Gerade als ich wegdämmern wollte, begann Matthews Handy in seiner Tasche zu vibrieren und rüttelte mich wieder wach.
»Vergiss es, das ist bestimmt nur Marcus«, sagte er und strich dabei mit den Lippen über meine Stirn. Mein Puls beruhigte sich wieder. »Versuch dich auszuruhen. Du bist nicht mehr allein.«
Ich konnte immer noch die Kette spüren, die mich an Matthew band, die Hexe an den Vampir.
Straff gespannt und glänzend hielten mich die Glieder fest, bis ich eingeschlafen war.
16
E rst als es vor Dianas Fenstern dunkel geworden war, konnte Matthew aufstehen. Irgendwann hatte sich ihre Ruhelosigkeit gelegt, und sie war in einen tiefen Schlaf gefallen. Er registrierte die subtilen Veränderungen in ihrem Duft, als der Schock nachließ, und spürte, wie ihn jedes Mal eine eisige Entschlossenheit durchfuhr, wenn er an Peter Knox oder Gillian Chamberlain dachte.
Matthew konnte sich nicht
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