Seelen der Nacht
Erinnerungen, um die fehlenden Stellen zu füllen, und schon könnten diese Kreaturen an Informationen gelangen, die wir nur ungern in ihren Händen sähen.«
»Informationen, die du nur ungern in ihren Händen sehen würdest!« Mir fiel mein Versprechen an Agatha Wilson wieder ein, und ich wurde lauter. »Du bist kein bisschen besser als Knox. Du willst Ashmole 782 nur, um deine Neugier zu befriedigen.« Mit juckenden Fingern griff ich nach meinen Sachen.
»Beruhige dich.« In seiner Stimme lag eine Schärfe, die mir nicht gefiel.
»Sag mir nicht, was ich tun soll.« Das Jucken wurde stärker.
Meine Finger leuchteten blau und stießen kleine Flammenbogen aus, aus denen Funken stoben wie aus einer Wunderkerze auf einer Geburtstagstorte. Rasch stellte ich den Computer wieder ab und hob die Hände.
Matthew hätte entsetzt sein müssen. Stattdessen betrachtete er mich fasziniert.
»Passiert dir das öfter?« Er gab sich alle Mühe, möglichst sachlich zu klingen.
»O nein. « Funken hinter mir herziehend, lief ich in die Küche.
Matthew war vor mir an der Tür. »Kein Wasser!«, warnte er mich scharf. »Das riecht nach Elektrizität.«
Aha. Das erklärte, warum ich beim letzten Mal die Küche in Brand gesetzt hatte.
Störrisch blieb ich stehen, die Hände zwischen uns erhoben. Wir schauten zu, wie das Blau an meinen Fingerspitzen allmählich verblasste und der Funkenregen erlosch, bis nur noch der scharfe Brandgeruch eines elektrischen Kurzschlusses zurückblieb.
Als das Feuerwerk ausgebrannt war, lehnte sich Matthew in der nonchalanten Pose eines Renaissancefürsten, der darauf wartet, sein Porträt gemalt zu bekommen, in den Türrahmen.
»Also«, sagte er und beobachtete mich dabei reglos wie ein Adler, kurz bevor er sich auf seine Beute stürzt, »das war interessant. Passiert dir das jedes Mal, wenn du wütend wirst?«
»Ich werde nicht wütend.« Ich drehte ihm den Rücken zu. Seine Hand zuckte vor und drehte mich wieder herum.
»So leicht kommst du mir nicht davon.« Er wurde nicht lauter, aber der schneidende Unterton war wieder da. »Du wirst sehr wohl wütend. Wie ich gerade sehen durfte. Und du hast mindestens ein Loch in meinen Teppich gebrannt, das genau das beweist.«
»Lass mich los!« Mein Mund verzog sich zu dem, was Sarah als »Todesstreifen« bezeichnete. Meine Studenten konnte ich damit zum Schlottern bringen. Jetzt hoffte ich, dass Matthew mit eingekniffenem Schwanz davonschleichen würde. Oder dass er zumindest die Hand von meinem Arm nehmen würde, damit ich verschwinden konnte.
»Ich habe dich gewarnt. Freundschaften mit Vampiren sind kompliziert. Ich kann dich jetzt unmöglich gehen lassen – selbst wenn ich wollte.«
Ich blickte betont auf seine Hand. Matthew zog sie mit einem ungeduldigen Schnauben zurück, und ich drehte ihm den Rücken zu, um meine Tasche aufzuheben.
Man sollte einem Vampir keinesfalls den Rücken zudrehen, nachdem man mit ihm gestritten hat …
Matthews Arme schossen vor und pressten meinen Rücken so fest gegen seine Brust, dass ich jeden einzelnen angespannten Muskel spüren konnte. »Und jetzt«, sagte er mir ins Ohr, »werden wir uns wie zivilisierte Geschöpfe darüber unterhalten, was passiert ist. Du wirst nicht davor davonlaufen – genauso wenig wie vor mir.«
»Lass mich los, Matthew.« Ich versuchte mich aus seinem Griff zu winden.
»Nein.«
Noch nie hatte sich mir ein Mann widersetzt, wenn ich ihn aufgefordert hatte, etwas nicht zu tun – ob er sich nun in der Bibliothek geräuschvoll geschnäuzt oder im Kino die Hand unter meinen Rock geschoben hatte. Wieder versuchte ich, mich loszumachen. Matthews Arme schlossen sich noch fester um mich.
»Hör auf dich zu wehren.« Er klang beinahe fröhlich. »Du wirst lange vor mir müde werden, das verspreche ich dir.«
In meinem Frauen-Selbstverteidigungskurs hatte ich gelernt, wie ich mich wehren musste, wenn ich von hinten festgehalten wurde. Ich hob den Fuß, um auf seine Zehen zu treten. Matthew wich seitlich aus, und mein Absatz knallte auf den Boden.
»Wir können das den ganzen Nachmittag machen, wenn du willst«, murmelte er. »Aber ich kann dir wirklich nur davon abraten. Meine Reflexe sind viel schneller als deine.«
»Lass mich los, dann können wir reden«, zischte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Er lachte leise, und sein würziger Atem strich kitzelnd über die nackte Haut in meinem Nacken. »Das war kein würdiger Verhandlungsversuch, Diana. Nein, wir
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