Seelen der Nacht
Tisch stehen und ließ kleine Dampftentakel aufsteigen.
»Danke, Marthe.« Matthew nahm einen tiefen Zug. Dabei kam sein Blick auf mir zu liegen, doch als er den Wein hinunterschluckte, sah er schon wieder weg. »Mein Telefon«, sagte er und verschwand in sein Arbeitszimmer.
Gleich darauf kam er die Stufen wieder herunter. »Für dich.« Er überreichte mir das Telefon so, dass sich unsere Hände nicht berührten.
Ich wusste, wer mich anrief. »Hallo, Sarah.«
»Seit über acht Stunden versuche ich dich anzurufen. Was in aller Welt ist los?« Sarah wusste, dass sich Unheil zusammenbraute – sonst hätte sie bestimmt nicht bei einem Vampir angerufen. Ihre Stimme war so angespannt, dass ich wieder ihr bleiches Gesicht vor Augen hatte. Sie war nicht nur traurig, sondern zutiefst verstört gewesen.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte ich, weil ich ihr nicht noch mehr Angst machen wollte. »Ich bin mit Matthew zusammen.«
»Dass du mit Matthew zusammen bist, hat dich in Schwierigkeiten gebracht.«
»Sarah, ich kann jetzt nicht reden.« Das Letzte, was ich brauchte, war ein offener Streit mit meiner Tante.
Sie holte tief Luft. »Diana, es gibt ein paar Dinge, die du wissen solltest, bevor du dich einem Vampir an den Hals wirfst.«
»Wirklich?« Mein Zorn flammte wieder auf. »Und jetzt ist deiner Meinung nach der Zeitpunkt gekommen, mir von dem Pakt zu erzählen? Du weißt nicht rein zufällig, welche Hexen zurzeit in der Kongregation sitzen, oder? Ich hätte ihnen einiges zu sagen.« Meine Finger brannten, und die Haut unter meinen Nägeln verfärbte sich strahlend blau.
»Du hast dich von deinen Kräften losgesagt, Diana, und dich stets geweigert, über Magie zu sprechen. Der Pakt war für dich ebenso irrelevant wie die Kongregation.« Sarah klang ein bisschen kleinlaut.
Mein bitteres Lachen trug dazu bei, das Blau in meinen Fingern abzumildern. »Du kannst dich rechtfertigen, wie du willst, Sarah. Nachdem Mom und Dad umgebracht worden waren, hättest du mich aufklären sollen, statt mich immer nur mit rätselhaften, vagen Halbwahrheiten abzuspeisen. Jetzt ist es zu spät. Ich muss mit Matthew sprechen. Ich rufe morgen wieder an.« Nachdem ich die Verbindung getrennt und das Telefon auf das Kissen zu meinen Füßen geschleudert hatte, schloss ich die Augen und wartete darauf, dass das Kribbeln in meinen Fingern wieder nachließ.
Alle drei Vampire starrten mich an – das spürte ich genau.
»Und«, sagte ich in die Stille hinein, »müssen wir noch weitere Besucher aus der Kongregation erwarten?«
Matthews Mund spannte sich. »Nein.«
Es war eine schon fast unhöflich knappe Antwort, aber zumindest war es die Antwort, die ich mir erhofft hatte. Während der letzten Tage waren mir Matthews Stimmungsumschwünge erspart geblieben, und ich hatte beinahe vergessen, wie verstörend sie sein konnten. Seine
nächsten Worte fegten meine Hoffnungen, dass das Unwetter an mir vorüberziehen würde, beiseite.
»Es wird keine weiteren Besuche mehr geben, weil wir den Pakt einhalten werden. Wir bleiben noch ein paar Tage hier und kehren dann nach Oxford zurück. Wärst du damit einverstanden, Maman ?«
»Natürlich«, erwiderte Ysabeau sofort. Sie seufzte erleichtert auf.
»Wir sollten die Standarte gehisst lassen«, fuhr Matthew sachlich fort. »Das Dorf sollte auch weiterhin auf der Hut sein.«
Ysabeau nickte, und ihr Sohn trank wieder einen Schluck Wein. Ich starrte erst ihn und dann sie an. Keiner reagierte auf meine stille Aufforderung, deutlicher zu werden.
»Erst vor ein paar Tagen hast du mich aus Oxford weggeholt «, sagte ich, nachdem niemand auf meine wortlose Aufforderung reagieren wollte.
Matthew hob den Kopf und bedachte mich mit einem abweisenden Blick. »Und jetzt fährst du zurück«, antwortete er gleichmütig. »Bis dahin wird es keine Spaziergänge außerhalb des Anwesens mehr geben. Und keine einsamen Ausritte.« Seine kühle Reaktion machte mir mehr Angst als alles, was Domenico gesagt hatte.
»Und?«, bohrte ich nach.
»Keine Tänze mehr.« Matthews barsche Antwort ließ vermuten, dass unter diesen Oberbegriff auch eine ganze Reihe anderer Aktivitäten fielen. »Wir werden uns an die Regeln der Kongregation halten. Wenn wir aufhören, sie zu provozieren, werden sie sich hoffentlich wichtigeren Dingen zuwenden.«
»Ich verstehe. Ich soll mich also tot stellen. Und du gibst deine Arbeit und Ashmole 782 auf? Das kannst du mir nicht erzählen.« Ich stand auf und ging zur
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