Seelen der Nacht
zurückzog. »Hexen können sich nicht ein paar Jahrhunderte Zeit lassen, um sich zu verlieben. Bei uns geht das ganz schnell. Sarah hat mir erzählt, meine Mutter hätte sich in meinen Vater verliebt, als sie ihn das erste Mal sah. Ich liebe dich, seit ich beschlossen habe, dir am Steg nicht das Ruder über den Schädel zu ziehen.« Das Blut in meinen Adern begann zu summen. Marthe sah mich verdattert an, woraus ich schloss, dass sie es ebenfalls hören konnte.
»Du begreifst nicht.« Es hörte sich an, als würde Matthew, genau wie der Bogen, gleich in zwei Hälften zerbrechen.
»Und ob. Die Kongregation wird mir Schwierigkeiten machen, aber niemand kann mir vorschreiben, wen ich lieben darf und wen nicht.« Seit mir meine Eltern geraubt worden waren, hatte ich ängstlich und eifrig immer getan, was man mir auftrug. Jetzt war ich erwachsen, und ich würde für Matthew kämpfen.
»Domenicos Drohungen sind nichts, verglichen mit dem, was du von Peter Knox zu erwarten hättest. Das heute war ein Versöhnungsangebot, eine diplomatische Mission. Du bist noch lange nicht so weit, dass du dich gegen die Kongregation stellen könntest, Diana. Und selbst wenn du dich widersetzt, was dann? Die alten Feindseligkeiten könnten wieder aufbrechen, außer Kontrolle geraten, und die Menschen könnten auf uns aufmerksam werden. Vielleicht müsste deine Familie darunter leiden.« Matthews brutale Worte sollten mich aufhalten und nachdenklich machen. Aber nichts, was er sagte, konnte das aufwiegen, was ich für ihn empfand.
»Ich liebe dich, und ich werde nicht damit aufhören.« Auch darin war ich mir sicher.
»Du liebst mich nicht.«
»Du kannst mir nicht vorschreiben, was ich tun soll, Matthew. Meine Vorstellungen von euch Vampiren sind vielleicht romantisch, aber eure Einstellung zu Frauen gehört gründlich überarbeitet.«
Ehe er etwas darauf erwidern konnte, begann sein Telefon über die Ottomane zu hüpfen. Er stieß einen okzitanischen Fluch aus, der offenbar so wüst war, dass selbst Marthe erschrocken die Augen aufriss. Dann bückte er sich und griff nach dem Telefon, bevor es auf den Boden rutschen konnte.
»Was gibt’s?«, fragte er, den Blick fest auf mich gerichtet.
Am anderen Ende der Leitung hörte ich leises Gemurmel. Marthe und Ysabeau tauschten einen besorgten Blick.
»Wann?« Matthews Frage kam wie ein Schuss. »Haben sie etwas mitgenommen?« Er klang so zornig, dass ich ein Stück abrückte. »Gott sei Dank. Wurde etwas beschädigt?«
Irgendetwas war in Oxford passiert, nachdem wir abgereist waren, wahrscheinlich ein Einbruch, so wie es sich anhörte. Ich hoffte, dass es nicht die Old Lodge getroffen hatte.
Die Stimme am anderen Ende redete weiter. Matthew presste sich die Hand auf die Augen.
»Was noch?«, fragte er deutlich lauter.
Wieder blieb es lange still. Er wandte sich ab, trat an den Kamin und stützte die rechte Hand flach gegen den Sims.
»So viel zu den diplomatischen Bemühungen.« Matthew fluchte leise vor sich hin. »In ein paar Stunden bin ich da. Kannst du mich abholen?«
Wir würden nach Oxford zurückkehren. Ich stand auf.
»Fein. Ich rufe an, wenn ich lande. Und, Marcus? Du musst herausfinden, wer außer Peter Knox und Domenico Michele noch in der Kongregation sitzt.«
Peter Knox? Die Puzzleteile begannen sich zu ordnen. Kein Wunder, dass Matthew so schnell nach Oxford zurückgekommen war, nachdem
ich ihm erzählt hatte, wer der braune Hexer war. Und es erklärte auch, warum er mich jetzt so energisch auf Abstand halten wollte. Wir waren dabei, den Pakt zu brechen, und Knox hatte die Aufgabe, genau so etwas zu unterbinden.
Nach dem Gespräch blieb Matthew ein paar Sekunden lang reglos stehen, eine Hand zur Faust geballt, so als könnte er sich nur mit Mühe beherrschen und würde am liebsten den Steinsims zermalmen.
»Das war Marcus. Jemand wollte ins Labor einbrechen. Ich muss sofort zurück nach Oxford.« Er drehte sich um und sah mich mit leerem Blick an.
»Ist alles in Ordnung?« Ysabeau warf mir einen besorgten Blick zu.
»Sie haben es nicht durch die Alarmanlagen geschafft. Trotzdem muss ich mit der Universitätsleitung sprechen, um sicherzustellen, dass der oder die Täter auch beim nächsten Mal nicht erfolgreich sind.« Nichts, was Matthew sagte, ergab Sinn. Warum war er nicht erleichtert, wenn die Einbrecher erfolglos wieder abgezogen waren? Und warum sah er seine Mutter kopfschüttelnd an?
»Wer war das?«, fragte ich argwöhnisch.
»Marcus ist sich nicht
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