Seelen der Nacht
Berührung von Händen gesucht hatte, die weder die seiner Mutter noch die seiner Frau waren.
»Er ist wahnsinnig diszipliniert«, überlegte ich laut. »So kann ich ihn mir kaum vorstellen.«
»Matthew empfindet sehr intensiv. Es ist ein Segen und gleichzeitig ein Fluch, jemanden so zu lieben, dass man nicht weiterleben möchte, nachdem diese Liebe gestorben ist.«
In Ysabeaus Stimme lag eine leise Warnung. Trotzig schob ich mein Kinn nach vorn, und meine Finger begannen zu kribbeln. »Dann muss
ich sicherstellen, dass er meine Liebe nie verlieren wird«, erklärte ich knapp.
»Und wie wollen Sie das anstellen?«, provozierte Ysabeau mich. »Wollen Sie auch zum Vampir werden und uns beim Jagen Gesellschaft leisten?« Sie lachte, aber es war ein freudloses Lachen. »Ich bin mir sicher, dass Domenico genau das vorgeschlagen hat. Ein kurzer Biss, Ihre Venen werden entleert, dann wird Ihr Blut gegen unseres getauscht. Und schon hätte die Kongregation keinen Anlass mehr, sich in Ihre Angelegenheiten einzumischen.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte ich dumpf.
»Verstehen Sie nicht?«, zischte Ysabeau. »Wenn Sie unbedingt mit Matthew zusammen sein wollen, müssen Sie eine von uns werden, damit ihm – und Ihnen – keine Gefahr mehr droht.«
Ein tiefes Knurren stieg aus Marthes Kehle.
»Ist Matthew darum abgereist? Hat ihm die Kongregation befohlen, mich zum Vampir zu machen?«
»Matthew würde Sie niemals zum Manjasang machen«, mischte sich Marthe verächtlich ein. Aus ihren Augen sprühte Zorn.
»Nein.« Ysabeaus Stimme war leise, aber boshaft. »Wie gesagt, er hatte schon immer eine Schwäche für zerbrechliche Dinge.«
Und wieder war ich auf etwas gestoßen, das Matthew vor mir verheimlichte. Wenn ich ebenfalls ein Vampir wäre, bräuchten wir die Kongregation nicht zu fürchten. Ich musste mich nur verwandeln.
Ich erwog die Möglichkeit überraschend gelassen und angstfrei. Ich könnte mit Matthew zusammen sein, und ich würde vielleicht sogar noch größer werden. Ysabeau würde die Verwandlung übernehmen. Mit einem Glitzern im Blick beobachtete sie, wie meine Hand an meinen Hals wanderte.
Aber da waren immer noch meine Visionen, nicht zu vergessen die Macht des Windes und des Wassers. Noch verstand ich nicht, welches magische Potenzial in meinem Blut lag. Und als Vampirin würde ich das Rätsel um Ashmole 782 vielleicht nie lösen.
»Ich habe es ihm versprochen«, meldete sich Marthe rau zu Wort. »Diana muss bleiben, was sie ist – eine Hexe.«
Ysabeau bleckte die Zähne, nickte aber.
»Mussten Sie ihm auch versprechen, nicht zu verraten, was in Oxford wirklich passiert ist?«
Matthews Mutter fasste mich scharf ins Auge. »Es ist nicht an mir, diese Geschichte zu erzählen.«
Ich hatte noch mehr Fragen – Fragen, die Matthew in seiner Eile vielleicht nicht für verboten erklärt hatte.
»Können Sie mir erzählen, warum es einen Unterschied macht, ob ein nichtmenschliches Geschöpf oder ein Mensch ins Labor eingedrungen ist?«
Es blieb still, während Ysabeau mich interessiert musterte. Schließlich antwortete sie.
»Kluges Mädchen. Schließlich habe ich Matthew nicht versprochen, dass ich mich nicht zu dem äußern würde, was ich für inakzeptables Benehmen halte.« Sie sah mich wohlgefällig an. »Wir können nur hoffen, dass es ein übermütiger Dämon war, dem nicht bewusst war, was für einen schwerwiegenden Verstoß er damit begangen hat. Das könnte Matthew vielleicht noch verzeihen.«
»Dämonen hat er noch jedes Mal verziehen«, brummelte Marthe düster.
»Und wenn es kein Dämon war?«
»Wenn es ein Vampir war, haben wir es mit einem offenen Affront zu tun. Wir legen größten Wert darauf, unsere Privatsphäre zu wahren. Kein Vampir betritt unerlaubt das Haus oder Territorium eines anderen Vampirs.«
»Würde Matthew einen solchen Übergriff verzeihen?« Wenn ich danach ging, wie Matthew ausgesehen hatte, als er auf den Wagen geschlagen hatte, konnte ich mir die Antwort denken.
»Vielleicht.« Ysabeau klang wenig überzeugt. »Schließlich wurde nichts entwendet und nichts kaputt gemacht. Trotzdem halte ich es für wahrscheinlicher, dass Matthew Wiedergutmachung fordern würde.«
Wieder einmal fühlte ich mich ins Mittelalter zurückversetzt, wo vor allem um Ehre und Ruf gegangen war.
»Und wenn es eine Hexe war?«, fragte ich leise.
Matthews Mutter wandte das Gesicht ab. »Bei einer Hexe würde keine Entschuldigung ausreichen.«
In dem Moment schrillten
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