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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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immer zu Hause gelassen, was für eine Ehefrau ausgesprochen unangenehm ist.« Sie durchbohrte mich mit einem giftigen Blick. »Heinrichs Hure hieß nach der Göttin der Jagd, genau wie Sie.«
    »Ich hätte mich bestimmt nicht mit Katharina de Medici angelegt.« Ich schüttelte den Kopf.
    »Die Mätresse des Königs, Diana von Poitiers, war viel gefährlicher«, meinte Ysabeau düster. »Sie war eine Hexe.«
    »Wirklich oder metaphorisch?«, fragte ich interessiert.
    »Beides«, antwortete Matthews Mutter in einem Tonfall, mit dem man Farbe hätte wegätzen können. Ich lachte. Ysabeau sah mich überrascht an und lachte dann ebenfalls.
    Wir ritten weiter. Plötzlich begann Ysabeau zu schnuppern und richtete sich im nächsten Moment hellwach im Sattel auf.
    »Was ist?«, fragte ich ängstlich und zog an Rakasas Zügel.
    »Ein Hase.« Sie trieb Fiddat in einen leichten Galopp. Ich folgte ihr dichtauf, denn ich wollte nicht ausprobieren, ob eine Hexe im Wald tatsächlich so schwer aufzuspüren war, wie Matthew angedeutet hatte.
    Wir galoppierten durch die Bäume und dann auf ein freies Feld. Ysabeau hielt Fiddat an, und ich lenkte Rakasa neben sie.
    »Haben Sie schon einmal gesehen, wie ein Vampir tötet?«, Ysabeau beobachtete genau, wie ich reagierte.
    »Nein«, antwortete ich gleichmütig.
    »Hasen sind klein. Damit fangen wir an. Warten Sie hier.« Sie schwang sich aus dem Sattel und sprang leichtfüßig auf den Boden. Fiddat blieb gehorsam stehen und sah seiner Herrin zu. »Diana«, sagte sie scharf, ohne auch nur einmal ihre Beute aus dem Blick zu lassen, »kommen Sie nicht in meine Nähe, solange ich jage oder trinke. Haben Sie das verstanden?«
    »Ja.« In meinem Kopf überschlugen sich die Bilder. Ysabeau wollte
einen Hasen jagen, ihn töten und vor meinen Augen sein Blut trinken? Da würde ich auf keinen Fall in ihre Nähe kommen wollen.
    Matthews Mutter schoss über die Wiese davon, so schnell, dass ich sie nicht im Auge behalten konnte. Auf einmal hielt sie inne wie ein Falke kurz vor dem Sturzflug, dann bückte sie sich und hielt im nächsten Moment ein verängstigtes Häschen an den Ohren. Triumphierend hob Ysabeau das Tier in die Höhe, bevor sie die Zähne mitten in sein Herz schlug.
    Hasen mögen nicht besonders groß sein, aber wenn man ihnen bei lebendigem Leib das Herz zerfetzt, bluten sie stärker, als man meint. Es war ein grauenvoller Anblick. Ysabeau sog das Blut aus dem Tier, das in kürzester Zeit zu zappeln aufhörte, dann wischte sie sich mit dem Fell den Mund ab und schleuderte den Kadaver ins Gras. Drei Sekunden später schwang sie sich wieder in den Sattel. Ihre Wangen waren leicht gerötet, und ihre Augen funkelten lebhafter als sonst. Sobald sie aufgestiegen war, sah sie mich an.
    »Und?«, fragte sie. »Sollen wir nach etwas Größerem Ausschau halten, oder möchten Sie lieber zurückreiten?«
    Ysabeau de Clermont stellte mich auf die Probe.
    »Nach Ihnen«, sagte ich grimmig und drückte Rakasa die Hacken in die Flanken.
    Ab da maß ich den Ausritt nicht mehr an der Bewegung der Sonne, die sich noch hinter den Wolken versteckte, sondern an den immer heftigeren Blutströmen, die Ysabeaus hungriger Mund aus den erbeuteten Tieren sog. Obwohl sie dabei relativ gesittet blieb, würde ich in der nächsten Zeit wohl kein Steak essen wollen.
    Nach dem Hasen, dem zu groß geratenen Eichhörnchen, das laut Ysabeau ein Murmeltier war, einem Fuchs und einem Mufflon war ich gegen den blutigen Anblick abgestumpft  – hatte ich wenigstens angenommen. Doch als Ysabeau einem jungen Rehbock nachsetzte, spürte ich ein Kribbeln in meinem Inneren.
    »Ysabeau«, protestierte ich. »Sie können unmöglich noch hungrig sein. Lassen Sie ihn laufen.«
    »Was? Die Göttin der Jagd hat etwas dagegen, dass ich einem Rehbock
nachsetze?« Sie sagte das spöttisch, aber sie sah mich neugierig dabei an.
    »Ja«, bestätigte ich knapp.
    »Und ich habe etwas dagegen, dass Sie meinem Sohn nachsetzen.« Ysabeau schwang sich von ihrem Pferd.
    Es juckte mich in den Fingern einzugreifen, und ich konnte mich nur mit Mühe von Ysabeau fernhalten, während sie sich an ihre Beute heranpirschte. Nach jedem Riss hatten ihre Augen verraten, dass sie ihre Emotionen  – und Taten  – nicht wirklich unter Kontrolle hatte.
    Der Rehbock versuchte zu entkommen. Er schaffte es sogar, ins Unterholz zu springen, doch Ysabeau verschreckte das Tier so sehr, dass es ins Freie zurückfloh. Danach hatte der müde werdende Rehbock keine

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