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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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eines ganzen Restaurants Platz gefunden hätte. Ysabeau sah mich über den Rand
der Le Monde an und tastete mich mit ihren Augen ab. »Marthe hat mir erzählt, dass Sie gut geschlafen haben.«
    »Ja, danke.« Ich trat von einem Fuß auf den anderen.
    Marthe ersparte mir weitere Peinlichkeiten, indem sie eine Kanne Tee brachte. Auch sie nahm mich von Kopf bis Fuß in Augenschein.
    »Es geht Ihnen heute besser«, stellte sie schließlich fest und reichte mir eine Tasse. Mit ernster Miene stand sie da, bis Matthews Mutter die Zeitung beiseitegelegt hatte, dann verschwand sie wieder.
    Als ich meinen Tee getrunken hatte, gingen wir zu den Ställen. Ysabeau musste mir mit den Stiefeln zur Hand gehen, die immer noch zu steif waren, als dass ich sie allein an- oder ausziehen konnte, und sie beobachtete aufmerksam, wie ich meinen Schildkrötenpanzer von Weste anlegte und den Helm aufsetzte. Ganz eindeutig hatte Matthew sie instruiert, dass ich beides anlegen musste. Ysabeau trug natürlich nur eine braune Steppjacke als Schutz. Beim Reiten war es besonders praktisch, dass Vampirfleisch mehr oder weniger unzerstörbar war.
    Auf der Koppel standen Fiddat und Rakasa nebeneinander. Sie sahen aus wie Spiegelbilder.
    »Ysabeau«, protestierte ich, »Georges hat Rakasa falsch gesattelt. Ich kann nicht im Damensattel reiten.«
    »Fürchten Sie sich?« Matthews Mutter sah mich abschätzend an.
    »Nein!« Ich zügelte meinen Zorn. »Ich reite nur lieber im Herrensitz.«
    »Woher wollen Sie das wissen?« In ihren Smaragdaugen flackerte ein tückischer Funke auf.
    Sekundenlang standen wir schweigend da und sahen uns an. Rakasa stampfte mit dem Huf auf und sah über die Schulter zu uns her.
    Wollt ihr jetzt reiten oder reden?, schien sie zu fragen.
    Benimm dich , rief ich sie barsch zur Ordnung, ging zu ihr und legte ihre Fessel auf mein Knie.
    »Das hat Georges schon erledigt«, verkündete Ysabeau gelangweilt.
    »Ich will mich persönlich überzeugen, bevor ich mich auf ein Pferd setze.« Ich prüfte Rakasas Hufe, fuhr mit den Händen die Zügel nach und schob dann die Finger unter den Sattel.

    »Genau wie Philippe früher.« Aus Ysabeaus Stimme sprach widerwillige Anerkennung. Mit kaum verhohlener Ungeduld sah sie mir zu, bis ich fertig war. Dann führte sie Fiddat zu einer kleinen Holzleiter und wartete ab, bis ich ihr gefolgt war. Nachdem sie mir in den ungewohnten Sattel geholfen hatte, sprang sie auf ihr eigenes Pferd. Ich sah nur einmal zu ihr hinüber und wusste sofort, dass mir ein anstrengender Vormittag bevorstand. Ihrer Haltung nach zu urteilen ritt Ysabeau besser als Matthew  – und der war der beste Reiter, der mir bisher begegnet war.
    »Führen Sie ihn einmal im Kreis«, sagte Ysabeau. »Ich will sichergehen, dass Sie nicht herunterfallen und sich das Genick brechen.«
    »Sie können mir vertrauen, Ysabeau.« Lass mich nicht fallen, handelte ich mit Rakasa, dann sorge ich dafür, dass du bis an dein Lebensende jeden Tag einen Apfel bekommst. Die Ohren meiner Stute zuckten vor und wieder zurück, und sie wieherte leise. Wir umkreisten zweimal die Koppel, bevor ich vor Matthews Mutter anhielt. »Zufrieden?«
    »Sie reiten besser, als ich erwartet hätte«, gab sie zu. »Wahrscheinlich könnten Sie sogar springen, aber ich habe Matthew versprochen, auch das zu unterlassen.«
    »Er hat dir einen Haufen Versprechen abgenommen, bevor er losgefahren ist«, murmelte ich vor mich hin und hoffte, dass sie mich nicht hörte.
    »Allerdings.« Natürlich war ihr mein Gemurmel nicht entgangen. »Und manche sind schwerer zu halten als andere.«
    Wir passierten das offene Koppeltor. Georges tippte sich an den Hut und schloss dann grinsend und kopfschüttelnd das Tor hinter uns.
    Matthews Mutter blieb auf relativ ebenem Gelände, bis ich mich an den fremden Sattel gewöhnt hatte. Der Trick war, den Körper gerade zu halten, auch wenn man dabei das Gefühl hatte, jeden Moment vom Pferd zu purzeln.
    »Das ist gar nicht so schlecht«, meinte ich nach zwanzig Minuten.
    »Seitdem die Sättel zwei Hörner haben, ist es einfacher«, sagte Ysabeau. »Davor war ein Damensattel höchstens zu gebrauchen, wenn das Pferd von einem Mann herumgeführt wurde«, sagte sie mit hörbarer
Verachtung. »Erst als die italienische Königin einen Sattelknauf und Steigbügel an ihren Sattel montieren ließ, konnten wir die Pferde selbst lenken. Die Geliebte ihres Mannes ritt im Herrensitz, damit sie ihn auf seinen Ausritten begleiten konnte. Katharina wurde

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