Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
Vom Netzwerk:
Chance mehr. Ysabeau tötete schnell, und der Rehbock musste nicht leiden, trotzdem musste ich mir auf die Lippe beißen, um nicht aufzuschreien.
    »So«, sagte sie zufrieden und kehrte zu Fiddat zurück. »Jetzt können wir nach Sept-Tours zurückreiten.«
    Wortlos wendete ich Rakasa zum Château hin.
    Ysabeau griff meinem Pferd in die Zügel. Auf ihrer cremefarbenen Bluse leuchteten winzige Blutströpfchen. »Glauben Sie immer noch, dass Vampire elegante Geschöpfe sind? Glauben Sie immer noch, dass es einfach wäre, mit meinem Sohn zusammenzuleben, obwohl Sie wissen, dass er töten muss, um zu überleben?«
    Es fiel mir schwer, »Matthew« und »töten« in einem Satz zusammenzubringen. Vielleicht würde ich noch das Blut auf seinen Lippen schmecken, sollte ich ihn eines Tages küssen, nachdem er von der Jagd zurückkehrte. Und Tage wie der, den ich eben mit Ysabeau verbracht hatte, würden die Regel werden. »Wenn Sie damit erreichen wollen, dass ich mich vor Ihrem Sohn ekle, dann haben Sie versagt«, antwortete ich unbeirrt. »Dazu braucht es mehr.«
    »Marthe meinte auch, das würde nicht ausreichen, damit Sie sich von ihm abwenden«, gestand sie.
    »Sie hatte recht.« Ich blieb kühl. »Können wir jetzt heimreiten?«
    Schweigend ritten wir auf die Bäume zu. Als wir unter dem grünen
Dach des Waldes waren, wandte sich Ysabeau mir zu. »Verstehen Sie, warum Sie widerspruchslos alles tun müssen, was Matthew Ihnen aufträgt?«
    Ich seufzte. »Ich dachte, der Unterricht wäre für heute beendet.«
    »Glauben Sie, unsere Ernährungsgewohnheiten sind das Einzige, was zwischen Ihnen und meinem Sohn steht?«
    »Also raus mit der Sprache, Ysabeau. Warum muss ich alles tun, was Matthew sagt?«
    »Weil er der stärkste Vampir im Château ist. Er ist das Oberhaupt unseres Hauses.«
    Ich starrte sie fassungslos an. »Wollen Sie mir allen Ernstes erklären, ich müsse auf ihn hören, weil er der Leitwolf ist?«
    »Glauben Sie etwa, dass Sie es sind?« Ysabeau schnaubte.
    »Nein«, gestand ich ihr zu. Ysabeau war ebenfalls keine Leitwölfin. Sie tat, was Matthew ihr auftrug. Genau wie Marcus, Miriam und jeder Vampir in der Bodleian Library. Selbst Domenico hatte letztendlich einen Rückzieher gemacht. »Sind das die Regeln des Clermont-Rudels?«
    Ysabeau nickte, und ihre grünen Augen glitzerten. »Es dient nur Ihrer Sicherheit  – und der von uns allen  –, wenn Sie gehorchen. Das ist kein Spiel.«
    »Ich verstehe, Ysabeau.« Allmählich verlor ich die Geduld.
    »Nein«, widersprach sie leise. »Sie werden es erst verstehen, wenn es Ihnen einmal vor Augen geführt wird, so wie ich Ihnen gerade vor Augen geführt habe, wie es ist, wenn ein Vampir tötet. Bis dahin sind das nur Worte. Eines Tages wird jemand wegen Ihres Eigensinnes sterben. Dann werden Sie begreifen, warum ich Ihnen das erklärt habe.«
    Ohne weitere Gespräche kehrten wir zum Château zurück. Als wir durch Marthes Reich im Erdgeschoss eilten, kam sie mit einem kleinen Hühnchen in der Hand aus der Küche. Ich wurde blass. Marthe bemerkte die winzigen Blutspritzer auf Ysabeaus Manschetten und schnappte nach Luft.
    »Sie muss das wissen«, zischte Ysabeau.
    Marthe sagte etwas auf Okzitanisch, das sich verdächtig nach einem
Fluch anhörte, und nickte mir dann zu. »Hier, Mädchen, kommen Sie mit, dann zeige ich Ihnen, wie man meinen Tee macht.«
    Jetzt verdüsterte sich zur Abwechslung Ysabeaus Miene. Marthe machte mir etwas zu trinken und reichte mir einen Teller mit ein paar krümeligen, mit Nüssen bestreuten Keksen. Hähnchen kam vorerst nicht in Frage.
    Mehrere Stunden ließ Marthe mich getrocknete Kräuter und Gewürze in kleine Häufchen sortieren, bis ich mir alle Namen eingeprägt hatte. Bis zum Nachmittag konnte ich sie entweder dem Geruch oder dem Aussehen nach bestimmen.
    »Petersilie, Ingwer. Mutterkraut. Rosmarin. Salbei. Wilde Möhrensamen. Beifuß. Polei-Minze. Engelwurz. Weinraute. Gänsefingerkraut. Wacholderwurzel.« Ich deutete der Reihe nach darauf.
    »Noch mal«, befahl Marthe fröhlich und überreichte mir ein Bündel von Musselinbeuteln.
    Ich löste die Schnüre, legte die Beutel, genau wie Marthe es tat, nebeneinander auf dem Tisch aus und rezitierte erneut die verschiedenen Namen.
    »Gut. Jetzt füllen Sie eine Fingerspitze von jedem in jeden Beutel.«
    »Warum mischen wir nicht alles zusammen und löffeln es dann in die Beutel?« Ich nahm mit spitzen Fingern eine Prise Polei und zog die Nase kraus, als mir der Minzegeruch

Weitere Kostenlose Bücher