Seelen der Nacht
Danach blieb es still bis auf Matthews gelegentliches Keuchen, das Knistern der Scheite im Kamin und schließlich sein lustvolles Aufstöhnen. Ich kuschelte mich unter seinen Arm und legte mein Bein über seines. Matthew sah mich mit einem Auge an, das andere blieb geschlossen.
»So was lehren sie also heutzutage in Oxford?«, fragte er.
»Das ist Magie. Ich wusste vom ersten Atemzug an, wie ich dich glücklich machen kann.« Glücklich, dass ich instinktiv begriff, wo und wie ich ihn berühren musste, wann ich sanft sein und wann ich meiner
Leidenschaft freien Lauf lassen musste, legte ich die Hand auf sein Herz.
»Wenn das Magie ist, dann freue ich mich umso mehr, dass ich den Rest meines Lebens mit einer Hexe verbringen werde.« Er klang so zufrieden, wie ich mich fühlte.
»Du meinst den Rest meines Lebens, nicht den Rest von deinem.«
Matthew blieb verdächtig still, und ich richtete mich auf, um ihm ins Gesicht zu sehen. »Heute Abend fühle ich mich wie siebenunddreißig«, sagte er sanft. »Aber was viel wichtiger ist: Ich habe das Gefühl, dass ich mich nächstes Jahr wie achtunddreißig fühlen werde.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte ich nervös.
Er zog mich wieder zu sich hinab und schmiegte meinen Kopf unter sein Kinn. »Über tausend Jahre habe ich abseits der Zeit gestanden und zugesehen, wie die Tage und Jahre verstrichen. Seit ich mit dir zusammen bin, spüre ich wieder, wie sie vergehen. Wir Vampire vergessen solche Dinge leicht. Auch darum liest Ysabeau so besessen Zeitung – um sich zu vergegenwärtigen, dass sich alles verändert, auch wenn die Zeit spurlos an ihr vorübergeht.«
»Du hast dich noch nie so gefühlt?«
»Ein paar Mal, aber immer nur ganz flüchtig. Ein- oder zweimal in der Schlacht, wenn ich glaubte, gleich sterben zu müssen.«
»Also löst nicht nur die Liebe, sondern auch die Gefahr dieses Gefühl aus.« Die Angst durchwehte mich wie ein eisiger Hauch bei diesem beiläufigen Geplänkel über Krieg und Tod.
»Jetzt hat mein Leben einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Alles davor war nur ein Vorspiel. Jetzt habe ich dich. Eines Tages wirst du von mir gehen, und dann wird mein Leben vorbei sein.«
»Nicht unbedingt«, widersprach ich hastig. »Ich habe nur noch eine Handvoll Jahrzehnte vor mir – du könntest praktisch ewig leben.« Eine Welt ohne Matthew war unvorstellbar.
»Wir werden sehen«, sagte er leise und streichelte meine Schulter.
Plötzlich lag mir sehr daran, dass er sich nicht in Gefahr brachte. »Du wirst vorsichtig sein?«
»Niemand durchlebt so viele Jahrhunderte wie ich, ohne vorsichtig
zu sein. Ich bin immer vorsichtig. Und jetzt, wo ich so viel zu verlieren habe, noch mehr.«
»Diesen Moment mit dir – diese eine Nacht mit dir – würde ich nicht einmal für Jahrhunderte mit jemand anderem eintauschen«, flüsterte ich.
Matthew sann über meine Antwort nach. »Ich nehme an, nachdem ich nur ein paar Wochen gebraucht habe, um mich wieder wie siebenunddreißig zu fühlen, könnte ich irgendwann auch an den Punkt gelangen, wo mir ein Augenblick mit dir genügt.« Er drückte mich an sich. »Aber dieses Gespräch ist viel zu ernst für ein Ehebett.«
»Ich dachte, beim Bundling ginge es vor allem ums Reden?«, meinte ich spröde.
»Das kommt darauf an, wen du fragst – diejenigen, die das Paar ins Bett gepackt haben, oder das Paar selbst.« Seine Lippen machten sich auf den Weg von meinem Ohr abwärts zur Schulter. »Außerdem gibt es beim mittelalterlichen Ehegelübde eine weitere Stelle, die ich gern mit dir besprechen würde.«
»Wirklich, mein Gemahl?« Sein Ohr kam in die Nähe meines Mundes, und ich biss vorsichtig hinein.
»Hör auf damit«, ermahnte er mich mit gespieltem Ernst. »Keine Bisse im Bett.« Ich ließ mich nicht beirren. »Ich meinte damit jene Stelle im Gelübde, wo das gehorsame Weib«, er sah mich vielsagend an, »verspricht, drall und vollbusig Tisch und Bett zu zieren. Wie gedenkst du diesen Teil des Gelübdes zu erfüllen?« Er vergrub sein Gesicht in meinem Busen, als würde er dort nach der Antwort suchen.
Nachdem wir das mittelalterliche Ehegelübde ein paar Stunden durchgegangen waren, hatte ich eine ganz neue Wertschätzung für kirchliche Zeremonien und alte Volksbräuche entwickelt. Noch nie war ich mit jemandem auf so intime Weise zusammen gewesen wie mit ihm in dieser Nacht.
Entspannt und unbeschwert kuschelte ich mich an Matthews inzwischen vertrauten Körper, sodass mein Kopf unter
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