Seelen der Nacht
anzusehen. Ohne seinem Blick auszuweichen, schob ich den Stoff über seine Hüften und ließ ihn dann fallen.
»So«, sagte ich leise. »Jetzt sind wir auf gleicher Ebene.«
»Noch längst nicht«, sagte Matthew und stieg aus seiner Hose.
Ich hätte um ein Haar nach Luft geschnappt, biss mir aber im letzten Moment auf die Lippe und unterdrückte den Laut. Jene Körperteile, die ich bis dahin nicht zu Gesicht bekommen hatte, waren genauso perfekt wie alles andere. Matthew nackt und glänzend im Kerzenschein zu betrachten war, als sähe man eine klassische Statue zum Leben erwachen.
Wortlos nahm er mich bei der Hand und führte mich zum Bett. Vor dem Vorhang blieb er stehen, schlug Decke und Laken zurück, hob mich auf die hohe Matratze und schob sich hinterher. Nachdem er zu mir unter die Decke gerutscht war, blieb er auf der Seite liegen, den Kopf in die Hand gestützt. Genau wie seine Haltung während der Entspannungsphase am Ende der Yogastunde erinnerte seine Pose an den Grabstein eines mittelalterlichen Ritters in einer englischen Kirche.
Plötzlich spürte ich überdeutlich jene Teile meines Körpers, die ganz und gar nicht perfekt waren, und zog verlegen das Laken bis zum Kinn.
»Was ist los?« Er zog die Stirn in Falten.
»Ich bin nur ein bisschen nervös, sonst nichts.«
»Wieso das?«
»Ich habe noch nie mit einem Vampir geschlafen.«
Matthew wirkte aufrichtig erschrocken. »Das wirst du heute auch nicht.«
Sofort war das Laken vergessen. Ich stützte mich auf meine Ellbogen. »Du kommst zu mir ins Bad, siehst zu, wie ich tropfnass und
nackt aus der Wanne steige, lässt dich von mir ausziehen und erklärst mir dann, dass wir uns heute Abend nicht lieben werden?«
»Ich sage dir doch immer wieder, dass wir nichts überstürzen sollten. Ihr modernen Geschöpfe habt es immer so eilig«, murmelte Matthew und zog das verrutschte Laken abwärts bis zu meiner Taille. »Du magst mich vielleicht altmodisch finden, aber ich möchte jeden Augenblick meiner Liebeswerbung genießen.«
Ich griff nach dem Saum der Decke, um mich zu bedecken, aber seine Reflexe waren schneller als meine. Er streifte die Decke noch weiter nach unten, bis sie außerhalb meiner Reichweite war, und betrachtete mich genüsslich.
»Liebeswerbung?«, wiederholte ich entrüstet. »Du hast mir schon Blumen und Wein gebracht. Und inzwischen bist du mit mir verheiratet, hast du behauptet.« Ich riss die Decke von seinem Rumpf weg. Der Anblick ließ meinen Puls sofort schneller gehen.
»Als Historikerin weißt du bestimmt, dass Hochzeiten früher nicht immer sofort vollzogen wurden.« Sein Blick lag fest auf meinen Hüften und Schenkeln, kühlte und wärmte sie gleichzeitig auf unglaublich erotische Weise. »In einigen Fällen dauerte die Liebeswerbung Jahre.«
»Die meisten dieser Liebeswerbungen endeten mit Blutvergießen und Tränen.« Ich betonte das entscheidende Wort. Matthew grinste und strich mit einem Finger federleicht über meine Brust, bis mir der Atem stockte und er zufrieden schnurrte.
»Ich verspreche, kein Blut zu vergießen, wenn du versprichst, nicht zu weinen.«
Seine Worte konnte ich noch eher ignorieren als seine Finger. »Prinz Arthur und Katharina von Aragon!«, verkündete ich triumphierend und stolz, weil ich sogar unter diesen Umständen wichtige historische Informationen abrufen konnte. »Hast du die beiden gekannt?«
»Arthur nicht. Ich war damals in Florenz. Katharina schon. Sie war fast so tapfer wie du. Aber wo wir gerade von der Vergangenheit sprechen«, Matthew fuhr mit dem Handrücken meinen Arm entlang, »was weiß die belesene Historikerin übers Bundling?«
Ich drehte mich auf die Seite und ließ langsam meine Fingerspitze
über sein Kinn wandern. »Ich kenne den Brauch. Allerdings bist du weder ein Amish noch ein Neuengländer. Willst du damit sagen, dass die Sitte, ein unverheiratetes Pärchen eine Nacht lang miteinander ins Bett zu stecken, damit sie sich unterhalten, ohne dass sie dabei miteinander schlafen, von Vampiren erdacht wurde – genau wie die Ehegelübde?«
»Nicht genug, dass ihr modernen Geschöpfe es immer eilig habt, ihr seid auch viel zu sehr auf den eigentlichen Geschlechtsakt fixiert. Diese Definition ist viel zu klinisch und zu eng. Sich zu lieben sollte etwas Intimes sein, bei dem man den fremden Körper genauso gut kennenlernt wie seinen eigenen.«
»Beantworte meine Frage«, verlangte ich, auch wenn er inzwischen meine Schulter küsste und ich darum nicht mehr klar
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