Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
Vom Netzwerk:
die Arme an und stieß mich genau wie Satu vom Boden ab. Nichts geschah. Ich schloss die Augen und versuchte mich darauf zu konzentrieren, wie ich im Salon getanzt hatte, weil ich hoffte, dass mich das wieder schweben lassen würde. Stattdessen dachte ich ausschließlich an Matthew und daran, wie viel er vor mir geheimgehalten hatte. Mir stockte der Atem, ich begann zu schluchzen, und dann zwang mich die modrige Luft in meinem Verlies vor Husten in die Knie.
    Ich schlief ein wenig, aber die Geister waren schwer zu ignorieren, nachdem sie erst zu schnattern begonnen hatten. Immerhin erhellten sie mein Verlies ein wenig. Bei jeder Bewegung hinterließen sie in der Luft einen schimmernden Fleck, der ihren bisherigen mit ihrem neuen Aufenthaltsort verband. Mir gegenüber saß eine junge Frau in schmutzigen Lumpen, die leise vor sich hin summte und mit leeren Augen in meine Richtung schaute. In der Mitte des Kerkers beugten sich ein Mönch, ein Ritter in voller Rüstung und ein Musketier über ein noch tieferes Loch, aus dem ein Hauch so völliger Verlorenheit aufstieg, dass ich mich nicht einmal in die Nähe wagte. Der Mönch sprach murmelnd die Totenmesse, während der Musketier immer wieder den Arm in die Grube reckte, als hätte er etwas darin verloren.
    Angst, Schmerz und Kälte setzten meinem Geist mehr und mehr zu, bis er sich zu verschließen begann. Die Stirn in angestrengte Falten gelegt, rief ich mir die letzten Passagen ins Gedächtnis, die ich in der Aurora Consurgens gelesen hatte, und wiederholte sie laut, um nicht verrückt zu werden.
    »Ich bin es, die zwischen allen Elementen schlichtet, die alle miteinander versöhnt«, murmelte ich mit steifen Lippen. »Ich mache feucht,
was trocken wurde, und was feucht ist, mache ich trocken. Ich verhärte, was weich wurde, und erweiche, was hart ist. So wie ich das Ende bin, ist mein Geliebter der Anfang. Ich umfasse das gesamte Werk der Schöpfung, und alles Wissen liegt in mir verborgen.« An der Wand neben mir schimmerte etwas. Ein weiterer Geist kam mich begrüßen, doch ich schloss die Augen, zu müde, um mich noch für ihn zu interessieren, und vertiefte mich wieder in meine Rezitation.
    »Wer wagt es, mich von meiner Liebe zu trennen? Niemand, denn unsere Liebe ist stark wie der Tod. «
    Meine Mutter unterbrach mich. Willst du nicht versuchen zu schlafen, kleine Hexe?
    Hinter den geschlossenen Lidern sah ich mein Schlafzimmer unter dem Dach des Hauses in Madison. Es waren nur noch ein paar Tage bis zur Reise meiner Eltern nach Afrika, und ich sollte bei Sarah bleiben, während sie weg waren.
    »Ich bin noch gar nicht müde«, antwortete ich. Ich klang eigensinnig und kindisch. Ich schlug die Augen auf. Die Geister umringten den matten Schein im Dunkel zu meiner Rechten.
    Meine Mutter saß dort, gegen die feuchten Steinmauern des Verlieses gelehnt, und streckte mir die Arme entgegen. Ich rutschte zu ihr hin, mit angehaltenem Atem, so sehr fürchtete ich, dass sie wieder verschwinden könnte. Sie empfing mich mit einem Lächeln, und ich sah die nicht vergossenen Tränen in ihren Augen glänzen. Die geisterhaften Arme und Finger meiner Mutter zuckten hin und her, als ich mich an ihren vertrauten Körper kuschelte.
    Soll ich dir eine Geschichte erzählen?
    »Deine Hände habe ich gesehen, als Satu mich verhexen wollte.«
    Ihr sanftes Lachen bewirkte, dass sich die kalten Steine unter mir weniger hart anfühlten. Du warst sehr tapfer.
    »Ich bin so müde«, seufzte ich.
    Dann ist es Zeit für deine Geschichte. Es war einmal, begann sie, eine kleine Hexe namens Diana. Als sie noch ganz klein war, wickelte eine gute Fee, die gleichzeitig ihre Patin war, sie in unsichtbare Bänder in allen Regenbogenfarben.

    Ich kannte diese Geschichte aus meiner Kindheit, als ich lila und rosa Pyjamas mit Sternenmuster getragen hatte und meine Haare zu zwei langen Zöpfen geflochten waren, die sich über meinen Rücken schlängelten. Wogen von Erinnerungen fluteten in Räume meines Geistes, die seit dem Tod meiner Eltern leer und verlassen dagelegen hatten.
    »Warum hat die gute Fee sie eingewickelt?«, fragte ich mit Kinderstimme.
    Weil Diana so gern zauberte und es auch sehr gut konnte. Aber ihre Feenpatin wusste, dass die anderen Hexen neidisch auf ihre Kräfte werden würden. »Wenn du so weit bist«, erklärte ihr die gute Fee, »wirst du diese Bänder abschütteln. Bis dahin wirst du nicht fliegen und auch nicht zaubern können. «
    »Das ist ungerecht!«, protestierte ich,

Weitere Kostenlose Bücher