Seelen der Nacht
zwischen uns Hexen zu bewahren.«
»Was hast du gesagt?« Schlagartig hörte das Schwirren auf. Stattdessen schien ich plötzlich wieder ganz klar denken zu können, und meine Haut kribbelte von Kopf bis Fuß, so als würden tausend Hexen mich anstarren. Ich drohte etwas zu vergessen, das mit meinen Eltern zu tun hatte und das alles, was Satu erzählte, als Lüge entlarvte.
Ein eigenartiges Geräusch bohrte sich in meine Ohren. Ein Schleifen und Knarren, so als würde jemand dicke Seile über Stein ziehen. Ich senkte den Kopf und sah kräftige braune Wurzeln, die sich über den Boden schlängelten. Alle krochen auf mich zu.
Satu schien sie gar nicht zu bemerken. »Deine Eltern hätten gewollt, dass du deiner Verantwortung als Bishop und Hexe gerecht wirst.«
»Meine Eltern?« Mühsam hob ich den Blick vom Boden und versuchte mich auf Satus Worte zu konzentrieren.
»Du bist mir und deinen Hexenschwestern Treue und Gefolgschaft schuldig, nicht Matthew Clairmont. Denk an deine Mutter und deinen Vater. Stell dir vor, was sie von dieser Beziehung halten würden, wenn sie davon wüssten.«
Eine Vorahnung fuhr mit kaltem Finger mein Rückgrat entlang, und alle Instinkte warnten mich, dass diese Hexe gefährlich war. Inzwischen hatten die Wurzeln meine Füße erreicht. Als würden sie meine Notlage spüren, änderten sie unvermittelt die Richtung und bohrten sich um mich herum zwischen die Pflastersteine, um sich unter den Fundamenten der Burg zu einem festen, unsichtbaren Netz zu verweben.
»Gillian hat mir erzählt, dass meine Eltern von Hexen umgebracht wurden«, sagte ich. »Willst du das etwa abstreiten? Erzähl mir die Wahrheit über das, was in Nigeria passiert ist.«
Satu blieb still. Ich nahm das als Geständnis.
»Wie ich mir dachte«, sagte ich bitter.
Sie bewegte kurz ihr Handgelenk, und im nächsten Moment lag ich rücklings auf dem Boden, die Füße in der Luft, und wurde von unsichtbaren Händen über die glatten Pflastersteine des eisigkalten Hofes in einen gähnend leeren Raum mit hohen Fenstern und halb abgedecktem Dach geschleift.
Ysabeau hatte recht gehabt. Dass ich verdrängt hatte, wer ich war und nicht gelernt hatte, mich zu verteidigen, hatte mich in ernste Schwierigkeiten gebracht.
»Wieder einmal weigerst du dich, Vernunft anzunehmen. Ich möchte dir nicht wehtun, Diana, aber ich werde es tun, wenn ich dir nicht anders begreiflich machen kann, wie ernst die Situation ist. Du musst Matthew Clairmont aufgeben und uns zeigen, wie du es angestellt hast, das Manuskript abzurufen.«
»Ich werde meinen Ehemann niemals aufgeben, und ich werde niemandem von euch zeigen, wie er an das Manuskript kommen kann. Es gehört uns nicht.«
Kaum hatte ich das gesagt, drohte mir ein unerträglicher Schmerz den Schädel zu spalten, während gleichzeitig ein Schrei die Luft durchschnitt,
der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Eine Kakofonie grauenvoller Laute folgte. Sie waren so schrecklich, dass ich in die Knie ging und die Arme über den Kopf schlug.
Satus Augen verengten sich zu Schlitzen, und im nächsten Moment lag ich wieder rücklings auf dem kalten Stein. »Uns? Du wagst es, dich als Hexe zu bezeichnen, nachdem du gerade aus dem Bett eines Vampirs gekrochen bist?«
»Ich bin eine Hexe«, erwiderte ich scharf, überrascht, wie sehr mich ihre Zurückweisung schmerzte.
»Du bist eine Schande, genau wie Stephen«, zischte Satu. »Eigensinnig, streitsüchtig, unnahbar. Und voller Geheimnisse.«
»Ganz recht, Satu, ich bin wie mein Vater. Er hätte dir kein Wort verraten. Und genausowenig werde ich das tun.«
»Und wie du reden wirst. Wenn ein Vampir die Geheimnisse einer Hexe ergründen will, kann er das nur tropfenweise tun.« Um zu zeigen, wie sie das meinte, schnippte Satu mit den Fingern zu meinem rechten Unterarm hin. Eine andere Hexenhand hatte vor langer, langer Zeit schnippend auf eine Wunde in meinem Knie gedeutet, und diese Geste hatte die Wunde schneller verschlossen, als es jedes Pflaster vermocht hätte. Jetzt schnitt das Schnippen wie ein unsichtbares Messer durch meine Haut. Rote Tropfen sickerten aus der Wunde. Hypnotisiert sah Satu zu, wie das Blut zu fließen begann.
Ich deckte mit der Hand den Schnitt ab und drückte mit aller Kraft auf die Wunde. Sie schmerzte überraschend stark, und ich merkte, wie nackte Angst in mir aufstieg.
Nein, sagte eine vertraute, feste Stimme. Du darfst dem Schmerz nicht nachgeben. Ich begann um meine Selbstbeherrschung zu ringen.
»Als
Weitere Kostenlose Bücher