Seelen der Nacht
zwei abgegriffene Wörterbücher.
Miriam kannte, wie sich herausstellte, die archaischsten Wörter mit sieben Buchstaben.
»Maehrte! «, rief Sarah eines Morgens aus, als ich gerade nach unten kam. »Was zum Teufel soll Mährte für ein Wort sein? Wenn du meinst, dass das französisch für Mist ist, liegst du falsch, das kannst du mir glauben.«
»Es ist ein altes Wort für eine Brotsuppe, die früher weit verbreitet war, wenn die Menschen nur Brot und Bier oder Wein hatten. Du kannst es im alten Wörterbuch nachschlagen, wenn du mir nicht glaubst.«
Grummelnd verschwand Sarah in die Küche und holte neuen Kaffee.
»Wer gewinnt?«, wollte ich wissen.
»Musst du da noch fragen?« Die Vampirin feixte zufrieden.
Wenn einmal nicht Scrabble gespielt oder ein alter Film geschaut wurde, hielt Miriam Vorträge zum Thema Vampire für Anfänger . Im Verlauf weniger Nachmittage hatte sie Em beibringen können, wie wichtig ihre Namen, das Rudelverhalten, besitzergreifende Rituale und Essgewohnheiten für einen Vampir waren. In letzter Zeit drehten sich die Gespräche um kompliziertere Themen, etwa darum, wie man einen Vampir tötet.
»Nein, nicht einmal eine durchgeschnittene Kehle führt garantiert zum Tod, Em«, erläuterte Miriam geduldig. Die beiden saßen im Familienzimmer, während ich in der Küche Tee machte. »Du musst dafür sorgen, dass sie möglichst viel Blut verlieren. Also solltest du gleichzeitig auf den Unterleib zielen.«
Matthew schüttelte den Kopf über diese Unterhaltung und nutzte
die Gelegenheit (alle anderen waren beschäftigt), um mich hinter der Kühlschranktür an die Wand zu pressen. Als unser Sohn mit dem Arm voller Feuerholz in die Küche kam, war mein Rock verrutscht, und die Haare standen mir zerzaust vom Kopf ab.
»Hast du etwas hinter dem Kühlschrank verloren, Matthew?« Marcus’ Gesicht strahlte die reinste Unschuld aus.
»Nein«, schnurrte Matthew. Er vergrub sein Gesicht in meinem Haar, um das Aroma meiner Erregung zu trinken. Ich schlug hilflos auf seine Schultern ein, aber er hielt mich nur noch fester.
»Danke, dass du Feuerholz geholt hast, Marcus«, sagte ich außer Atem.
»Soll ich noch mehr holen gehen?« Eine blonde Braue hob sich.
»Gute Idee. Heute Abend wird es bestimmt kalt.« Ich drehte den Kopf zur Seite, um Matthew zu bremsen, doch er interpretierte das als Einladung, mich gleich wieder zu küssen. Augenblicklich waren Marcus und die Feuerholzvorräte vergessen.
Wenn Matthew mir nicht gerade in dunklen Ecken auflauerte, bildete er mit Sarah und Marcus zusammen das ketzerischste Trio von Zaubertrank-Mischern, seit Shakespeare seine drei Hexen um den Kessel tanzen ließ. Der Dampf, den Sarah und Matthew unter dem Bild der chemischen Vermählung hatten aufsteigen lassen, hatte keine weiteren Texte enthüllt, aber davon ließen sie sich nicht beirren. Rund um die Uhr hielten sie die Rezeptur besetzt, wo sie das Zauberbuch der Bishops konsultierten und ständig neue Mischungen brauten, die entweder stanken oder explodierten oder beides. Obwohl wir vollstes Vertrauen hatten, wollten Em und ich einem lauten Knall, dem ein langes Donnergrollen gefolgt war, dann doch auf den Grund gehen.
»Was treibt ihr drei da eigentlich?«, fragte Em, die Hände in die Hüften gestemmt. Sarahs Gesicht war mit grauem Ruß überzogen, und aus dem Schornstein kamen Brocken vom Verputz gepurzelt.
»Nichts weiter«, murmelte Sarah. »Ich wollte die Luft spalten, und der Spruch ist ein wenig aus der Form geraten, sonst nichts.«
»Spalten?« Fassungslos nahm ich das Chaos in Augenschein.
Matthew und Marcus nickten bedächtig.
»Du wirst diesen Raum noch vor dem Abendessen aufräumen, Sarah Bishop, sonst zeige ich dir, was Spalten ist!«, brach es aus Em heraus.
Natürlich verliefen nicht alle Begegnungen zwischen den Hausbewohnern so harmonisch. Marcus und Matthew gingen oft bei Sonnenaufgang aus dem Haus und überließen mich der liebevollen Obhut von Miriam, Sarah und dem Teekessel. Weit gingen die beiden nie. Wir konnten vom Küchenfenster aus beobachten, wie sie die Köpfe zusammensteckten. Eines Morgens kehrte Marcus auf dem Absatz um und kam ins Haus zurück gestürmt, sodass sein Vater allein unter den Apfelbäumen zurückblieb.
»Diana«, knurrte er zur Begrüßung, dann stampfte er durch das Familienzimmer und geradewegs zur Haustür wieder hinaus. »Ich bin verflucht noch mal zu jung für so was!«, rief er noch, bevor er die Tür hinter sich zuwarf.
Gleich darauf
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