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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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mir, und sie will jetzt heraus. Jemand muss mir beibringen, wie ich sie kontrollieren kann.«
    »Ich leider nicht.« In Sarahs Stimme schwang leises Bedauern. »Ich wurde nicht mit der Fähigkeit geboren, ein Hexenfeuer heraufzubeschwören oder eine Hexenflut zu kontrollieren. Aber ich kann verdammt noch mal dafür sorgen, dass du lernst, wie du mit einem der einfachsten Zaubersprüche eine Kerze anzünden kannst.«
    Sarah hatte recht. Doch man brauchte so schrecklich lange, um diese Kunst zu erlernen, und kein Zauberspruch würde mir helfen, wenn ich wieder anfing, wie ein Springbrunnen zu sprudeln.
    Während ich mich auf die Kerze konzentrierte und meinen Spruch murmelte, suchte Sarah im Zauberbuch nach einer neuen Aufgabe.
    »Der hier ist auch gut«, sagte sie und tippte auf eine Seite voller brauner, grüner und roter Flecken. »Es ist ein abgewandelter Erscheinungsspruch, der ein sogenanntes Echo schafft  – Worte, die jemand spricht, werden an einem anderen Ort wiedergegeben. Sehr nützlich. Den probieren wir danach.«
    »Nein, jetzt machen wir erst einmal Pause.« Ich drehte mich weg und hob den Fuß, um einen Schritt zu machen.
    Als ich ihn wieder absetzte, stand ich mitten im Apfelgarten.
    Im Haus hörte ich Sarah rufen: »Diana? Wo steckst du?«
    Matthew kam aus der Tür geschossen und jagte die Verandastufen herab. Seine scharfen Augen hatten mich sofort erfasst, und nach ein paar schnellen Schritten war er an meiner Seite.
    »Was soll das werden?« Seine Hand umfasste meinen Ellbogen, um zu verhindern, dass ich gleich wieder verschwand.
    »Ich wollte nur noch von Sarah weg. Und als ich meinen Fuß absetzte, war ich hier. Neulich in der Zufahrt ist mir das schon einmal passiert.«
    »Wolltest du einen Apfel? Es hätte dir nicht genügt, einfach in die Küche zu gehen?« Matthews Mundwinkel zuckte verräterisch.
    »Nein«, war meine Antwort.
    »Ist es dir zu viel auf einmal, ma lionne ?«
    »Ich bin nicht gut in Hexerei. Dafür braucht man zu viel …«

    »Präzision?«, schlug er vor.
    »Geduld«, gestand ich.
    »Hexerei und Zaubersprüche mögen nicht deine bevorzugte Waffe werden«, meinte er nachsichtig und strich dabei mit dem Handrücken über meine Wange. »Aber du wirst lernen, sie anzuwenden.« Der Befehl war nur unterschwellig, aber doch herauszuhören. »Komm, wir besorgen dir etwas zu essen. Das macht dich immer umgänglicher.«
    »Versuchst du mich etwa zu besänftigen?«, fragte ich düster.
    »Fällt dir das erst jetzt auf?« Er lachte. »Seit Wochen bin ich mit nichts anderem beschäftigt.«
    Während ich einen Teller Reste vom Vortag vertilgte, unterhielt er mich mit dem Vermischten aus der Zeitung  – Katzen, die vom Baum gerettet werden mussten, Chili-Kochwettbewerbe, das bevorstehende Halloween, und offenbar zeigte sein Geplauder Wirkung, denn jetzt sah ich mich imstande, Sarah und dem Bishop-Buch erneut gegenüberzutreten. Zurück in der Rezeptur, fielen mir jedes Mal, wenn ich vor Sarahs detaillierten Anweisungen fliehen wollte, Matthews Worte ein, und ich konzentrierte mich verbissen darauf, Feuer, Stimmen oder was weiß ich heraufzubeschwören.
    Nachdem ich stundenlang  – mehr oder weniger erfolglos  – Zaubersprüche trainiert hatte, klopfte er an die Tür und erklärte, dass es Zeit für unseren Spaziergang sei. In der kleinen Diele hinter der Küche schlüpfte ich in einen dicken Pullover und meine Turnschuhe und stürmte aus der Tür. Matthew kam mir nachgeschlendert, schnupperte genussvoll die frische Luft und beobachtete das wechselnde Licht über den Feldern rund ums Haus.
    Jetzt, Ende Oktober, wurde es schnell dunkel, und die Abenddämmerung hatte sich zu meiner liebsten Tageszeit entwickelt. Matthew war vielleicht ein Morgenmensch, aber sein natürlicher Selbstschutz war nach Sonnenuntergang weniger ausgeprägt. In den länger werdenden Schatten schien er sich zu entspannen, das weiche Licht ließ auch seine kantige Silhouette weicher wirken, und seine bleiche Haut leuchtete dann nicht ganz so geisterhaft.
    Er nahm meine Hand, und in einvernehmlichem Schweigen wanderten
wir dahin, zufrieden, einander nahe und weit weg von unseren Familien zu sein. Am Waldrand wurde Matthew schneller, während ich absichtlich zurückblieb, weil ich so lange wie möglich draußen bleiben wollte.
    »Komm schon«, beschwerte er sich, frustriert, sich meinem langsamen Tempo anpassen zu müssen.
    »Nein!« Ich ging immer langsamer. »Wir sind nur ein ganz normales Paar, das vor dem

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