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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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mich, bis seine Lippen meine berührten. Es war ein langsamer, liebevoller Kuss, ein Zeugnis seiner Gefühle. Juliette starrte uns eisig an und studierte jedes Detail. Als Matthew sich wieder von mir löste, trat sie einen Schritt auf uns zu.
    »Aha.« Sie klang bitter. »Es gefällt dir, wie sie reagiert, wenn du sie berührst. Aber ich kann nicht mehr fühlen.«
    Ich hatte Ysabeaus Zorn und Baldwins Skrupellosigkeit erlebt, Domenicos Verzweiflung gespürt und den Pesthauch des Bösen gerochen, der von Gerbert ausstrahlte. Aber bei Juliette war das anders. In ihr war etwas Wesentliches zerbrochen.

    Sie ließ meinen Arm los und zog sich mit einem Sprung aus Matthews Reichweite zurück. Seine Hände quetschten meinen Ellbogen zusammen, und seine kalten Finger berührten meine Hüften. Mit einem unendlich kleinen Schubs befahl mir Matthew noch einmal wortlos, von hier zu verschwinden.
    Aber ich hatte keinesfalls vor, meinen Mann mit einer psychotischen Vampirin allein zu lassen. Auch wenn Juliette weder durch einen Hexensturm, noch durch eine Hexenflut umzubringen sein würde, konnte ich sie damit vielleicht lang genug ablenken, damit wir beide fliehen konnten, doch meine Kräfte versagten mir den Dienst, und all die Sprüche, die ich in den letzten Tagen notdürftig auswendig gelernt hatte, waren wie weggeblasen.
    »Keine Angst«, sagte Juliette leise zu Matthew, und ihre Augen strahlten dabei. »Es geht ganz schnell. Natürlich würde ich lieber länger bleiben und mich mit dir gemeinsam daran erinnern, wie viel wir einander früher bedeutet haben. Aber ich kann dich nicht mehr so berühren, dass ich sie aus deinen Gedanken löschen könnte. Also muss ich dich töten und deine Hexe mitnehmen, damit sie sich Gerbert und der Kongregation stellt.«
    »Lass Diana gehen.« Matthew hob beschwichtigend die Hände. »Das geht nur uns beide an, Juliette.«
    Sie schüttelte den Kopf und brachte dabei ihr schweres, glänzendes Haar zum Schwingen. »Ich bin Gerberts Instrument, Matthew. Als er mich erschaffen hat, hat er keinen Raum mehr für meine Wünsche gelassen. Ich wollte weder Philosophie noch Mathematik studieren. Gerbert beharrte darauf, damit ich dir gefalle. Und ich habe dir gefallen, nicht wahr?« Juliette konzentrierte sich ganz und gar auf Matthew, und ihre Stimme klang so zerklüftet wie die Verwerfungslinien in ihrem zerbrochenen Geist.
    »Ja, du hast mir gefallen.«
    »Das dachte ich mir. Trotzdem habe ich schon damals nur Gerbert gehört.« Juliette sah mich an. Ihre Augen glänzten, woraus ich schloss, dass sie vor Kurzem Blut getrunken hatte. »Er wird auch dich besitzen, Diana, und zwar so, wie du es dir nicht vorstellen kannst. So wie nur
ich es kenne. Dann wirst du nur noch ihm gehören und für alle anderen verloren sein.«
    »Nein!« Matthew stürzte sich auf Juliette, doch sie schoss an ihm vorbei.
    »Das ist nicht der Zeitpunkt für Spielchen, Matthew«, sagte Juliette.
    Sie schlug blitzschnell zu  – so schnell, dass ich es nicht sehen konnte  –, und zog sich dann mit einem triumphierenden Blick zurück. Ich hörte etwas reißen, dann quoll dunkles Blut aus seiner Kehle.
    »Das sollte fürs Erste reichen«, erklärte sie zufrieden.
    In meinem Kopf begann es zu tosen. Matthew trat zwischen mich und Juliette. Selbst meine beschränkte Warmblüternase registrierte den metallischen, scharfen Geruch, den sein Blut verströmte. Es durchtränkte seinen Pullover und breitete sich in einem dunklen Fleck auf seiner Brust aus.
    »Tu das nicht, Juliette. Falls du mich je geliebt hast, dann lass sie in Frieden. Sie hat es nicht verdient, Gerbert zu gehören.«
    Juliette reagierte in einem Wirbel von braunem Leder und Muskeln. Ihr Bein flog hoch, dann traf ihr Fuß mit einem Krachen auf Matthews Bauch. Er drohte vornüber zu kippen wie ein gefällter Baum, hielt sich aber auf den Beinen.
    »Ich habe Gerbert genauso wenig verdient.« Juliettes Stimme klang hysterisch schrill. »Aber dich habe ich sehr wohl verdient. Du gehörst zu mir, Matthew.«
    Plötzlich wurden meine Hände schwer, und ich wusste ohne hinzusehen, dass ich Pfeil und Bogen darin hielt. Ich wich wie von selbst ein paar Schritte zurück und hob die Arme.
    »Lauf!«, brüllte Matthew.
    »Nein«, widersprach ich mit einer mir fremden Stimme, kniff ein Auge zu und sah an meinem linken Arm entlang. Juliette stand dicht vor Matthew, trotzdem würde ich den Pfeil abschießen können, ohne ihn zu treffen. Sobald ich die rechte Hand entspannte,

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