Seelen der Nacht
Eltern hinterlassenen Brief der Harvard University skizziert, den wir aus dem Küchenschrank gezogen hatten. Mein Blick wanderte über Marcus’ viele neue Aufgaben.
»Kein Wunder, dass er Schiss hat«, murmelte ich, während ich die Linien nachfuhr, die Marcus mit Matthew an der Spitze und den sieben Rittern unter ihm verbanden und von dort aus weiter zu den Vampirtruppen führten, die jeder von ihnen zusammenstellen sollte.
»Er wird sich damit abfinden.« Matthews kalte Hände kneteten die
angespannten Muskeln in meinen Rücken, dann kamen seine Finger auf dem Stern zwischen meinen Schulterblättern zu ruhen. »Marcus kann sich auf Baldwin und die übrigen Ritter verlassen. Und er ist dieser Verantwortung gewachsen, sonst hätte ich ihn nicht gefragt.«
Vielleicht, trotzdem wäre er nicht mehr derselbe, nachdem er dieses Amt für Matthew übernommen hatte. Jede neue Herausforderung würde ihm etwas von seinem leichtfüßigen Charme rauben. Mich schmerzte die Vorstellung, was für ein Vampir Marcus dabei werden würde.
»Was ist mit diesem Fernando? Wird er Marcus helfen?«
Matthews Miene verschloss sich. »Fernando wollte ich zuerst zum Marschall ernennen, aber er hat mich abgewiesen. Er hat stattdessen Marcus empfohlen.«
»Warum?« So wie Miriam über ihn sprach, war der Vampir ein angesehener Krieger mit jahrhundertealter Erfahrung.
»Fernando findet, dass Marcus ihn an Philippe erinnert. Falls es zum Krieg kommt, werden wir jemanden mit dem Charme meines Vaters brauchen, denn die Vampire auf unserer Seite werden nicht nur gegen Hexen, sondern auch gegen andere Vampire kämpfen müssen.« Matthew nickte nachdenklich und betrachtete die Umrisse seines Imperiums. »Ja, Fernando wird ihm helfen. Und ihn davon abhalten, allzu viele Fehler zu begehen.«
Als wir in die Küche zurückkehrten – Matthew, um die Zeitung fertigzulesen, ich auf der Suche nach einem kleinen Imbiss –, waren Sarah und Em eben aus dem Supermarkt zurückgekommen. Sie packten Kartons voller Mikrowellenpopcorn aus, dazu Dosen mit gemischten Nüssen und alle Beeren, die im Oktober im Norden von New York zu bekommen waren. Ich griff nach einem Beutel Preiselbeeren.
»Da bist du ja.« Sarahs Augen leuchteten. »Zeit für deinen Unterricht.«
»Erst brauche ich noch mehr Tee und etwas zu essen«, protestierte ich und ließ die Beeren in ihrem Plastikbeutel von einer Hand in die andere rollen. »Keine Hexerei auf leeren Magen.«
»Gib mir die«, sagte Em und schnappte mir den Beutel aus der
Hand. »Du zerquetschst sie nur, und das sind Marcus’ Lieblingsbeeren.«
»Du kannst später essen.« Sarah schob mich bereits in Richtung Rezeptur. »Hör auf mit diesen Kindereien und mach schon.«
Wie sich herausstellte, war ich in Sachen Zaubersprüche immer noch ein genauso hoffnungsloser Fall wie als Teenager. Ich konnte mir nie merken, wie sie anfingen, und brachte, weil ich mich nicht konzentrieren konnte, dauernd die Reihenfolge der Wörter durcheinander, was einige kleinere Katastrophen auslöste.
Sarah stellte eine Kerze auf den großen Tisch in der Rezeptur. »Mach sie an«, befahl sie und beugte sich über das unglaublich fleckige Zauberbuch.
Es war ein simpler Trick, den jede halbwüchsige Hexe beherrschte. Doch bei mir begann die Kerze entweder nur zu kokeln, ohne dass der Docht Feuer fing, oder etwas anderes begann zu brennen. Diesmal setzte ich ein Büschel Lavendel in Flammen.
»Du darfst die Worte nicht einfach herunterleiern, Diana«, belehrte mich Sarah, als sie die Zweige gelöscht hatte. »Du musst dich konzentrieren. Noch einmal von vorn.«
Ich versuchte es wieder und wieder. Ein einziges Mal flackerte ein winziges Flämmchen am Dochtende auf.
»Das klappt einfach nicht.« Meine Hände kribbelten, meine Nägel waren blau angelaufen, und ich hätte vor Frust am liebsten laut aufgeschrien.
»Du kannst ein Hexenfeuer entfachen, aber keine Kerze anzünden.«
»Meine Armbewegungen haben dich an jemanden erinnert, der ein Hexenfeuer entfachen konnte . Das ist etwas ganz anderes. Außerdem sollte ich mich lieber mit meiner Magie auseinandersetzen, als dieses Zeug zu lernen«, verkündete ich und schwenkte dabei die Hand über das Zauberbuch.
»Magie ist nicht die Antwort auf alles«, erwiderte Sarah eingeschnappt. »Das ist so, als würdest du eine Kettensäge zum Brotschneiden nehmen. Manchmal ist ein Messer praktischer.«
»Ich weiß, dass du nicht besonders viel von Magie hältst, aber ich
habe etliches davon in
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