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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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die Zeit gekommen ist, dann gib es der, die es braucht , so hat meine Großmutter es meinem Vater erklärt, und so hat mein Vater es auch mir erklärt. Früher stand es auf einem kleinen Papier, aber das ging vor langer Zeit verloren.«
    »Was ist es denn, Matthew?« Marcus schien sich unwohl zu fühlen. Genau wie Nathaniel.
    »Es ist eine Schachfigur.« Matthew versagte die Stimme. »Die weiße Königin.«
    »Woher weißt du das?« Kritisch begutachtete Sarah die kleine Figur. »So eine Schachfigur habe ich noch nie gesehen.«
    Matthew musste die Worte zwischen den Lippen herauspressen. »Weil sie früher mir gehört hat. Mein Vater hat sie mir geschenkt.«
    »Und wie ist sie dann nach North Carolina geraten?« Ich streckte die Finger nach dem silbernen Objekt aus, und die kleine Figur schlitterte über den Tisch, als könnte sie es nicht erwarten, zu mir zu kommen. Die Geweihspitzen des Hirsches bohrten sich in meine Handfläche, sobald sich meine Finger um das Silber schlossen, und ich spürte, wie sich das Metall unter meiner Berührung erwärmte.

    »Ich habe sie bei einer Wette verloren«, gestand Matthew leise. »Ich habe keine Ahnung, wie sie nach North Carolina gelangt ist.« Er ließ das Gesicht in die Hände sinken und murmelte ein einziges Wort, das für mich keinen Sinn ergab. »Kit.«
    »Weißt du noch, wann du sie zuletzt hattest?«, fragte Sarah scharf.
    »Nur zu gut.« Matthew hob den Kopf. »Ich spielte vor vielen Jahren eine Partie damit, und zwar in der Nacht an Allerseelen. Damals verlor ich eine Wette.«
    »Das wäre nächste Woche.« Miriam drehte sich in ihrem Stuhl zur Seite und sah Sarah an. »Eignet sich die Zeit um Allerheiligen und Allerseelen für Zeitwanderungen?«
    »Miriam«, knurrte Matthew, aber es war zu spät.
    »Was ist eine Zeitwanderung?«, flüsterte Nathaniel Sophie zu.
    »Mama ist durch die Zeit gewandert«, antwortete Sophie ebenfalls flüsternd. »Ziemlich oft sogar, und sie kam immer mit massenhaft neuen Ideen für Töpfe und Krüge aus dem achtzehnten Jahrhundert zurück.«
    »Deine Mutter ist in die Vergangenheit gereist?«, fragte Nathaniel mit schwacher Stimme. Er ließ den Blick über die bunt zusammengewürfelte Truppe im Raum wandern und richtete ihn dann auf den Bauch seiner Frau. »Vererbt sich so was auch weiter, so wie der zweite Blick?«
    Sarah beantwortete Miriams Frage über das geflüsterte Zwiegespräch der Dämonen hinweg. »Zwischen Halloween und Allerseelen gibt es nur wenig, was die Lebenden von den Toten trennt. Da wird es natürlich einfacher, zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart hin und her zu schlüpfen.«
    Nathaniel sah immer nervöser aus. »Die Lebenden und die Toten? Wir wollten doch nur diese Statue abliefern, oder was das auch ist, damit Sophie nachts wieder ruhig schlafen kann.«
    »Wird Diana stark genug sein?«, fragte Marcus Matthew, ohne auf Nathaniel einzugehen.
    »Zu dieser Jahreszeit müsste Diana das Zeitwandern deutlich leichter fallen«, sinnierte Sarah laut vor sich hin.

    Sophie sah sich zufrieden am Tisch um. »Das erinnert mich an früher, wenn Granny und ihre Schwestern sich zum Kaffeeklatsch trafen. Sie schienen sich gegenseitig nie zuzuhören, trotzdem wussten alle immer ganz genau, wer was gesagt hatte.«
    Die vielen Gespräche im Raum verstummten abrupt, als die Esszimmertüren aufflogen und wieder zuknallten und gleich darauf die schwerere Tür zur Stube mit einem tiefen Donnern zufiel. Nathaniel, Miriam und Marcus sprangen wie auf Kommando auf.
    »Was zum Teufel war das?«, fragte Marcus.
    »Das Haus«, antwortete ich müde. »Ich sehe mal nach, was es will.«
    Matthew nahm die Figur und folgte mir.
    An der Schwelle zur Stube erwartete uns die alte Frau mit dem bestickten Mieder.
    »Hallo, Madam.« Sophie war uns gefolgt und nickte der alten Frau höflich zu. Dann sah sie mich prüfend an. »Die Lady sieht Ihnen ähnlich, nicht wahr?«
    Ihr habt euch also für einen Weg entschieden, sagte die Alte leise.
    »Das haben wir.« Hinter mir hörte ich Schritte, denn die anderen kamen ebenfalls aus dem Esszimmer, um nachzusehen, was das für ein Lärm gewesen war.
    Du wirst noch etwas für deine Reise brauchen, belehrte sie mich.
    Die schweren Türen schwangen auf, und plötzlich hatte ich nicht nur eine Schar von Kreaturen im Rücken, sondern eine ganze Geisterrunde vor mir, die sich um den Kamin versammelt hatte.
    Das scheint interessant zu werden, sagte meine Großmutter sarkastisch, die am Kopf der Geisterschar

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