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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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erschreckt. Jedenfalls hielten wir es für das Beste, keine große Sache daraus zu machen, als wir schließlich heirateten. Agatha saß damals schon in der Kongregation. Ständig redete sie von den Trennungsregeln und davon, was passieren würde, falls jemand den Pakt brechen sollte.« Sophie schüttelte den Kopf. »Mir wollte das noch nie einleuchten.«
    »Das Buch?«, wiederholte ich, um das Gespräch behutsam zum Thema zurückzulenken.
    »Ach ja.« Sophie legte die Stirn in konzentrierte Falten und verstummte.
    »Meine Mutter kann das Baby kaum erwarten. Sie sagt, es wird das bestgekleidete Kind, das die Welt je gesehen hat«, sagte Nathaniel und lächelte seine Frau liebevoll an. »Doch dann fingen die Träume an. Sophie spürte, dass uns Ärger ins Haus stand. Für einen Dämon hat sie stark ausgeprägte Vorahnungen, genau wie meine Mutter. Im September begann sie Dianas Gesicht zu sehen und ihren Namen zu hören. Sophie hat den Eindruck, dass jemand etwas von Ihnen will.«
    Matthews Finger kam auf der Stelle an meinem Rücken zu liegen, wo sich Satus Mondsichelnarbe nach unten zog.
    »Zeig ihnen den Krug mit dem Gesicht, Nathaniel. Es ist nur ein Bild. Ich wollte den Krug eigentlich mitbringen, aber Nathaniel meinte, wir könnten keinen Fünfliterkrug von Durham nach New York schleppen.«
    Gehorsam zückte ihr Ehemann sein Handy und holte ein Foto auf den Bildschirm. Dann reichte Nathaniel das Telefon an Sarah weiter, die erschrocken nach Luft schnappte.

    »Ich bin Töpferin, genau wie schon meine Mama und ihre Mutter. Granny beheizte ihren Brennofen mit Hexenfeuer, aber ich verzichte dabei auf Zauberei. Alle Gesichter, die ich in meinen Träumen sehe, kommen auf einen Krug. Nicht alle sind angsteinflößend. Ihres zum Beispiel nicht.«
    Sarah reichte das Handy an Matthew weiter. »Wirklich schön, Sophie«, sagte er aufrichtig.
    Ich musste ihm zustimmen. Der hohe, runde Korpus war hellgrau, und am schmalen Hals wölbten sich seitlich zwei Henkel. Vorn war ein Gesicht zu sehen  – mein Gesicht, auch wenn es durch die Wölbung des Kruges ein wenig verzerrt wirkte. Mein Kinn ragte aus der Oberfläche heraus, genau wie meine Nase, die Ohren und meine geschwungenen, braunen Brauen. Dicke Lehmröllchen dienten als Haar. Ich hatte die Augen geschlossen und lächelte heiter.
    »Das hier ist für Sie.« Sophie zog ein kleines, klumpiges Objekt aus der Tasche ihrer Strickjacke. Es war in Öltuch gewickelt und mit einer Schnur gesichert. »Als sich das Baby bewegt hat, war mir sonnenklar, dass es Ihnen gehört. Das Baby weiß es auch. Vielleicht hat sich Agatha deshalb solche Sorgen gemacht. Und natürlich weiß keiner von uns, was wir jetzt tun sollen, wo das Baby eine Hexe ist. Nathaniels Mom meinte, Sie hätten vielleicht eine Idee.«
    Schweigend schauten wir zu, wie Sophie an den Knoten zupfte. »Entschuldigung«, murmelte sie. »Das hat mein Dad eingewickelt. Er war bei der Marine.«
    »Kann ich helfen?«, Marcus streckte die Hand nach dem Klumpen aus.
    »Nein. Ich habe es gleich.« Sophie lächelte ihn freundlich an und vertiefte sich wieder in ihre Arbeit. »Es muss eingewickelt werden, sonst färbt es sich schwarz. Und es soll nicht schwarz sein. Es soll weiß sein.«
    Unsere kollektive Neugier war damit eindeutig geweckt, und im ganzen Haus war es so still, dass man das leise Schmatzen von Tabithas Zunge hörte, die sich gerade die Pfoten schleckte. Der Faden löste sich, und endlich öffnete sich das Öltuch.

    »Da«, flüsterte Sophie. »ich bin vielleicht keine Hexe, aber ich bin die Letzte der Normans. Wir haben das hier für dich aufbewahrt.«
    Es war eine kleine Figurine, nicht größer als zehn Zentimeter und aus altem Silber geschmiedet, das jenen sanften Schimmer verströmte, den man sonst nur in Museumsvitrinen sieht. Sophie drehte die Figur so herum, dass sie mich ansah.
    »Diana«, sagte ich überflüssigerweise. Die Göttin war detailgetreu dargestellt, von den Spitzen des Sichelmondes auf ihrer Stirn bis hinab zu den Sandalen an ihren Füßen. Sie war in Bewegung und hatte einen Fuß vorgereckt, während sie mit einer Hand über ihre Schulter fasste, um einen Pfeil aus ihrem Köcher zu ziehen. Die andere Hand ruhte auf dem Geweih eines Hirsches.
    »Woher ist das?« Matthew klang komisch, und sein Gesicht war grau geworden.
    Sophie zuckte mit den Achseln. »Das weiß niemand. Die Normans haben es schon immer gehabt. Es wurde über Generationen hinweg von einer Hexe an die nächste vererbt. Wenn

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