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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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saß.
    In den Wänden rumorte es wie Knochengeschepper. Meine Knie versagten mir den Dienst, und ich ließ mich in den Schaukelstuhl meiner Großmutter fallen.
    In der Vertäfelung zwischen Fenster und Kamin bildete sich ein langer Riss. Er vergrößerte und verbreiterte sich zu einem diagonalen Spalt. Das alte Holz bebte und quietschte. Etwas Weiches mit Armen und Beinen kam aus dem Spalt geflogen. Ich zuckte zurück, als es genau auf meinem Schoß landete.

    »Heilige Scheiße«, war Sarahs Kommentar.
    Davon wird sich die Vertäfelung nie erholen , kommentierte meine Großmutter und schaute bedauernd auf das gerissene Holz.
    Was mich da angesprungen hatte, bestand aus grob gewebtem Stoff, der zu einem fahlen Graubraun verblichen war. Es hatte vier Gliedmaßen und dazu anstelle eines Kopfes einen Klumpen, der mit ausgebleichten Haarfäden verziert war. An die Stelle, wo sich das Herz befinden sollte, hatte jemand ein X gestickt.
    »Was ist das?« Ich streckte den Zeigefinger nach den ungleichmäßigen, rostbraunen Stichen aus.
    »Nicht anfassen!«, schrie Em.
    »Ich habe es doch schon berührt«, sagte ich und sah sie verdattert an. »Schließlich liegt es auf meinem Schoß.«
    »Ich habe noch nie eine so alte Puppe gesehen«, sagte Sophie und beugte sich darüber.
    »Eine Puppe?« Miriam stutzte. »Hatte nicht eine deiner Vorfahrinnen Ärger wegen einer Puppe?«
    »Bridget Bishop«, bestätigten Sarah, Em und ich wie aus einem Mund.
    Die Alte mit dem bestickten Mieder stand jetzt neben meiner Großmutter.
    »Gehört das dir?«, flüsterte ich.
    Ein Lächeln zupfte an Bridgets Mundwinkel. Vergiss nicht, du musst dich in Acht nehmen, wenn du an eine Kreuzung kommst, Tochter. Keiner weiß, welche Geheimnisse dort vergraben liegen.
    Ich sah auf die Puppe und berührte ganz leicht das X auf der Brust. Der Stoff platzte auf, und darunter kam eine nach Kräutern duftende Füllung aus Blättern, Zweigen und getrockneten Blumen zum Vorschein. »Weinraute«, sagte ich, weil ich den Geruch aus Marthes Tee kannte.
    »Klee, Ginster, Vogelknöterich und Ulmenrinde, so wie es riecht.« Sarah schnupperte ausgiebig. »Diese Puppe wurde angefertigt, um jemanden anzulocken  – wahrscheinlich Diana  –, aber es liegt auch ein Schutzzauber darauf.«

    Du hast gute Arbeit geleistet, sagte Bridget zu meiner Großmutter und nickte dabei zu Sarah hin.
    Etwas leuchtete aus dem Braun. Als ich vorsichtig daran zog, zerfiel die Puppe in ihre Einzelteile.
    Aber da hört es auf, sagte Bridget seufzend. Meine Großmutter legte tröstend den Arm um sie.
    »Es ist ein Ohrring.« Das Licht fing sich in der kunstvoll verzierten Oberfläche, an deren Ende eine große, tropfenförmige Perle funkelte.
    »Wie zum Teufel kommt ein Ohrring meiner Mutter in Bridget Bishops Puppe?« Matthews Gesicht war wieder aschgrau geworden.
    »Waren die Ohrringe deiner Mutter in dieser einen Nacht am selben Fleck wie dein Schachspiel?«, fragte Miriam. Ohrring und Schachfigur waren sehr alt  – älter als die Puppe und älter als das Haus der Bishops.
    Matthew überlegte kurz und nickte dann. »Ja. Reicht dir eine Woche? Kannst du bis dahin soweit sein?«, fragte er mich dann.
    »Ich weiß nicht.«
    »Natürlich werden Sie soweit sein.« Sophie redete beruhigend auf ihren Bauch ein. »Sie wird alles für dich in Ordnung bringen, meine kleine Hexe. Sie werden ihre Patin«, meinte sie dann strahlend. »Das wird ihr gefallen.«
    »Das Baby mitgezählt  – und die Geister ausgenommen, natürlich«, sagte Marcus so täuschend beiläufig, dass er mich an Matthew erinnerte, wenn er unter Stress stand, »sind wir zu neunt in diesem Raum.«
    »Vier Hexen, drei Vampire und zwei Dämonen«, bestätigte Sophie verträumt, die Hände auf ihrem Bauch. »Aber uns fehlt immer noch ein Dämon. Ohne ihn können wir kein Konventikel abhalten. Und wenn Matthew und Diana erst weg sind, werden wir noch einen Vampir brauchen. Lebt Matthews Mutter noch?«
    »Sie ist müde«, entschuldigte sich Nathaniel für seine Frau und legte die Hände fest auf ihre Schultern. »Dann kann sie sich nur schwer konzentrieren.«
    »Was war das eben?«, fragte Em, die sich anstrengen musste, damit ihre Stimme nicht zitterte.
    Auf einmal wirkte Sophies Blick gar nicht mehr verträumt. »Ein
Konventikel. So haben sie früher eine Zusammenkunft von Abtrünnigen genannt. Die beiden wissen das bestimmt noch.« Sie nickte zu Marcus und Miriam hin.
    »Ich habe dir doch gesagt, dass es hier nicht um die

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