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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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wollte.
    Clairmont lehnte an seinem Jaguar und wirkte völlig unzerknautscht und gelöst. Selbst seine Yogasachen, selbstverständlich in Grau und Schwarz, sahen aus wie frisch aus dem Laden, waren aber längst nicht so eng geschneidert wie die Anzüge, die er in der Bibliothek trug.
    Ich nahm den schnittigen schwarzen Wagen und den schneidigen schwarzen Vampir in Augenschein und merkte, wie meine Laune schlagartig absackte. Der Tag hatte es nicht gut mit mir gemeint. In der Bibliothek war das Förderband ausgefallen, und es hatte eine Ewigkeit gedauert, bis ich meine Manuskripte bekommen hatte. Zu meinem Tagungsbeitrag wollte mir immer noch nichts einfallen, und allmählich geriet ich bei jedem Blick auf den Kalender in Panik, weil ich im Geist einen Raum voller Kollegen vor mir sah, die mich mit hochkomplexen Fragen piesackten. Bald hatten wir Oktober, und die Konferenz sollte im November stattfinden.
    »Du glaubst, ein Kleinwagen wäre eine bessere Tarnung?« Er streckte die Hand nach meiner Yogamatte aus.
    »Eigentlich nicht, nein.« Wie er so im herbstlichen Abendlicht dastand, schrie alles an ihm »Vampir«, trotzdem eilten die Studienanfänger und Professoren an ihm vorbei, ohne dass sich auch nur einer umgedreht hätte. Wenn sie nicht spürten, was er war  – wenn sie nicht sahen , was er war, schließlich war er kaum zu übersehen  –, dann war der Wagen nebensächlich. Ich merkte, wie sich stiller Groll in mir aufstaute.
    »Habe ich irgendwas falsch gemacht?« Seine graugrünen Augen
sahen mich groß und arglos an. Er öffnete die Autotür und atmete tief ein, als ich mich an ihm vorbeischob.
    Sofort ging mein Zorn mit mir durch. »Beschnüffelst du mich etwa?« Seit dem Vortag hatte ich den Verdacht, dass mein Körper ihm alle möglichen Informationen zukommen ließ, die ich lieber für mich behalten wollte.
    »Führ mich nicht in Versuchung«, murmelte er und schloss die Tür von außen. Als mir klar wurde, was seine Worte zu bedeuten hatten, stellten sich meine Nackenhaare auf. Er öffnete den Kofferraum und legte meine Matte hinein.
    Die Nachtluft strömte in den Wagen, als sich der Vampir auf dem Fahrersitz niederließ. Er verzog seine Stirn zu einem scheinbar mitfühlenden Runzeln. »Schlechten Tag gehabt?«
    Ich durchbohrte ihn mit meinem Blick. Clairmont wusste haargenau, wie mein Tag verlaufen war. Auch heute hatte er mit Miriam im Duke-Humfrey-Lesesaal gesessen und alle anderen nichtmenschlichen Geschöpfe von mir ferngehalten. Als wir gingen, um uns fürs Yoga umzuziehen, war Miriam zurückgeblieben, um sicherzustellen, dass uns keine Dämonenprozession folgte  – oder etwas noch Schlimmeres.
    Ohne dass er noch einmal versucht hätte, ein Gespräch anzufangen, ließ Clairmont den Wagen an und fuhr die Woodstock Road hinunter. Weit und breit waren nur Wohnhäuser zu sehen.
    »Wo fahren wir hin?«, fragte ich misstrauisch.
    »Zum Yoga«, antwortete er gleichmütig. »So wie du gelaunt bist, würde ich meinen, du hast es nötig.«
    »Und wo findet das Yoga statt?«, wollte ich wissen. Inzwischen waren wir auf dem Land und in Richtung Blenheim unterwegs.
    »Hast du es dir anders überlegt?« Ich hörte einen Anflug von Gereiztheit in Matthews Stimme. »Soll ich dich lieber wieder in das Studio an der High Street bringen?«
    Mich schauderte, als ich an die wenig inspirierende Yogastunde vom Vorabend dachte. »Auf keinen Fall.«
    »Dann entspann dich. Ich werde dich schon nicht entführen. Manchmal
ist es ganz angenehm, sich jemandem anzuvertrauen. Außerdem soll es eine Überraschung werden.«
    »Pfff«, sagte ich. Er schaltete die Stereoanlage ein, und aus den Lautsprechern ergoss sich klassische Musik.
    »Hör auf zu denken, und hör lieber zu«, befahl er. »Es ist unmöglich, bei Mozart angespannt zu bleiben.«
    Ich erkannte mich selbst kaum wieder, doch ich ließ mich seufzend in den Sitz sinken und schloss die Augen. Die Bewegungen des Jaguars waren so weich und die Geräusche von draußen so gedämpft, dass ich mich fühlte, als würde ich von unsichtbaren musikalischen Händen angehoben und durch die Luft getragen.
    Der Wagen wurde langsamer, und wir hielten vor einem hohen Eisentor, das nicht einmal ich hätte übersteigen können, obwohl ich wirklich geübt war. Zu beiden Seiten erstreckte sich eine Mauer aus roten Backsteinen, die unregelmäßig geformt und in kompliziert verwobenen Mustern angeordnet waren. Ich setzte mich auf.
    »Von hier aus ist es nicht zu sehen«, sagte

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